Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept des Landkreises Gießen. Heranziehung eines Konzeptes bereits für den Zeitraum der Datenerhebung. Veröffentlichungspflicht. Befugnis zum Erlass eines isolierten Bescheides über die Absenkung der Unterkunftskosten nach Abschluss des Kostensenkungsverfahrens. Anwendbarkeit des § 41a Abs 5 S 1 SGB 2 bei Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens gegen die vorläufige Entscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft des Landkreises Gießen für den Zeitraum Dezember 2014 bis November 2016 entspricht den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

2. Das Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft des Landkreises Gießen für den Zeitraum ab Dezember 2016 entspricht ebenfalls den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

3. Die Ergebnisse eines Konzeptes zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft sind bereits für die Zeiträume heranzuziehen, für die die zu Grunde liegenden Daten erhoben wurden.

4. Es bedarf weder einer Veröffentlichung des Konzepts zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft noch der verwaltungsinternen Handlungsanweisung zur Umsetzung dieses Konzeptes.

5. Ein Bescheid, mit dem nach Beendigung des Kostensenkungsverfahrens isoliert über die Absenkung der Kosten für Unterkunft entschieden wird, ist bereits mangels einer gesetzlichen Befugnis zur Entscheidung durch Verwaltungsakt rechtswidrig.

6. Ein gerichtliches Verfahren auf höhere Leistungen gegen einen vorläufigen Bewilligungsbescheid schließt einen fiktiven endgültigen Bescheid nach § 41a Abs 5 S 1 SGB II aus.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 12. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2015 wird aufgehoben. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 20. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2016 verurteilt, dem Kläger zu 1. für den Zeitraum Januar bis April 2016 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von weiteren 9,20 € monatlich, also insgesamt monatlich 268,40 € zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2. zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Kürzung der ihnen gewährten Kosten der Unterkunft durch den Beklagten.

Die Kläger leben zusammen in einer 106 m2 großen Mietwohnung, für die eine Grundmiete von 488 €, Betriebskostenvorauszahlungen von 126 € und Heizkostenvorauszahlungen von 118 €, insgesamt also 732 €, monatlich zu zahlen sind. Sie erhalten laufend Leistungen von dem Beklagten. Die Tochter der Klägerin zu 2. ist in einer Einrichtung zum betreuten Wohnen untergebracht und besucht ihre Mutter nach ihrer Auskunft seit Juli oder August 2016 an den Wochenenden. Der Kläger zu 1. übt sein Umgangsrecht mit seiner Tochter außerhalb der Wohnung aus. Die Kläger beziehen Einkommen in schwankender Höhe. Das Einkommen hat die Höhe der Regelbedarfe der Kläger nicht überschritten.

Mit Schreiben vom 30. März 2015 informierte der Beklagte die Kläger darüber, dass ihre Kosten für Unterkunft und Heizung unangemessen seien und forderte die Kläger zur Kostensenkung auf.

Mit Bescheid vom 12. August 2015 senkte der Beklagte die gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung ab dem 1. November 2015 von 732 € auf 518,40 € (400,40 € Bruttokaltmiete, 118 € Heizkosten) ab.

Der Widerspruch der Kläger blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. November 2015).

Mit Bescheid vom 20. Oktober 2015 bewilligte der Beklagte den Klägern jeweils 259,20 € als Bedarf für Unterkunft und Heizung für November 2015 bis April 2016. Die Bewilligung war insgesamt wegen des schwankenden Einkommens der Kläger vorläufig.

Der Widerspruch gegen diesen Bescheid blieb ebenfalls erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2016).

Die Kläger behaupten, dass die Klägerin zu 2. den Umgang mit ihrer Tochter ausbauen wolle und das Ziel habe, diese wieder dauerhaft bei ihr aufzunehmen. Dazu werde ein entsprechendes Zimmer benötigt. Günstigerer Wohnraum sei in Gießen nicht zu bekommen. Ein Umzug sei mit weiteren Kosten verbunden, die ebenfalls unzumutbar wären.

Der Kläger zu 1. beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 20. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2016 zu verurteilen, ihm ab dem 1. November 2015 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 732 € zu gewähren.

Die Klägerin zu 2. beantragt nach Rücknahme des zusätzlich gestellten Antrags,

ihr Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 732 € zu gewähren, in der mündlichen Verhandlung nunmehr nur noch,

den Bescheid vom 12. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Im Erörterungstermin v...

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