Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Abweichung vom Kopfteilprinzip bei der Berechnung der den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft zu bewilligenden Kosten der Unterkunft
Orientierungssatz
1. Die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB 2 sind grundsätzlich anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn die leistungsberechtigte Person eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen nutzt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Weil die Aufteilung nach Kopfteilen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung erfolgt, sind nach der Rechtsprechung des BSG Abweichungen zulässig.
2. Eine Abweichung ist u. a. dann zuzulassen, wenn eine Aufteilung nach Kopfteilen unter Anrechnung eines auf einen Mitbewohner entfallenden fiktiven Kopfteils, der Kosten der Unterkunft nicht erhält, bei den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu einer Bedarfsunterdeckung führt.
3. Voraussetzung für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip ist, dass derjenige, der keine Leistungen für die Unterkunft erhält, über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, aus dem er seinen Kopfteil bestreiten kann.
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, die Bescheide vom 8.11.2011 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 2.12.2013 aufzuheben. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Streitig ist die Aufhebung und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Alg II), hier: der Kosten der Unterkunft, nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Zeit vom 1.10.2008 bis 31.5.2009 sowie vom 1.12.2009 bis 30.6.2011.
Die 1951 geborene Klägerin lebt mit ihrem 1963 geborenen Ehemann S. in einer Bedarfsgemeinschaft. Sie beziehen seit 4.12.2007 Alg II.
Der Beklagte ging hierbei im Zeitraum von Juni 2008 bis Mai 2009 von einem Bedarf an Unterkunftskosten i.H.v. insgesamt 771,10 EUR, im Zeitraum Dezember 2009 bis Mai 2010 i.H.v. 767,21 EUR, für Juni 2010 bis Mai 2011 i.H.v. 778,92 EUR und im Zeitraum von Juni 2011 bis November 2011 i.H.v. 791,14 EUR aus.
Im Rahmen eines Gesprächs zur Senkung der Unterkunftskosten teilte der Ehemann der Klägerin am 6.6.2011 mit, dass in seiner Wohnung eine dritte Person, der Neffe der Klägerin Herr T., lebe. Dieser lebe mietfrei in seinem Haushalt. Der Meldebestätigung vom 18.9.2007 war zu entnehmen, dass der 1985 geborene T. bereits seit 1.3.2002 bei der Klägerin gemeldet war. Anhand der eingereichten Bescheide des Bezirksamts W. war erkennbar, dass Herr T. Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz i.H.v. 191,40 EUR monatlich ohne Einbeziehung von Unterkunftskosten bezogen hatte; dem Leistungsbescheid war zu entnehmen, dass er mietfrei wohne. Mit Schreiben vom 12.8.2011 teilte der Ehemann der Klägerin mit, Herr T. habe Deutschland verlassen, ohne sich abzumelden, weswegen er die Abmeldung selbst veranlasst habe. Laut Melderegisterauskunft vom 8.9.2011 ist Herr T. am 1.7.2011 aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen.
Mit Änderungsbescheiden vom 11.10.2011 senkte der Beklagte den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft für Unterkunft und Heizung jeweils um 1/3 ab. Ferner nahm der Beklagte mit Bescheiden vom 8.11.2011 die Entscheidung über die Bewilligung von Alg II insoweit teilweise zurück und forderte entsprechend die Leistungen von der Klägerin für den Zeitraum vom 1.10.2008 bis 31.5.2009 vom 1.12.2009 bis 30.6.2011 i.H.v. insgesamt 3347,34 EUR zurück, da die Unterkunftskosten wegen einer zusätzlichen Person in der Haushaltsgemeinschaft nur zu einem Anteil von 2/3 zu übernehmen seien.
Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass für Herrn T. vom Bezirksamt W. keine Mietkosten gezahlt worden seien. Sie habe nicht gewusst, dass sie verpflichtet gewesen sei, den Mitbewohner beim SGB II-Träger anzugeben. Der Widerspruch blieb erfolglos und wurde durch Widerspruchsbescheide vom 2.12.2013 zurückgewiesen. Eine Änderung der angefochtenen Bescheide erfolgte teilweise nur insoweit, als weitere Änderungsbescheide für die Monate Oktober/November 2008 sowie für Dezember 2009 bis Juni 2011 zurückgenommen wurden; insoweit wird auf die Seiten 180, 224, 254, 298, 338, 353 und 391 der Widerspruchsakte Bezug genommen. Das Vertrauen der Klägerin auf den Bestand der rechtswidrigen Bewilligungsentscheidung sei nicht schutzwürdig. Sie habe erkennen können, dass sie Leistungen zu Unrecht erhalten und die Bewilligungs- und Änderungsbescheide rechtswidrig gewesen seien. Soweit die Rechtswidrigkeit der Bescheide auf falschen Angaben ihres Ehemannes beruhten, seien diese der Klägerin nach § 38 Abs. 1 SGB II zurechenbar. Der Ehemann der Klägerin habe anhand der Antragsformulare auf Leistungen nach dem SGB II - hier insbesondere im Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung - erkennen können, dass er umfassende Angaben über die Zahl der Personen im Haushalt zu leisten habe. Gleichwohl habe er im Antrag auf Alg II vom 4.12.2007 sowie in den nachfolgenden Anträgen auf W...