Tenor
1. Der Bescheid vom 13.04.2021 in Gestalt des Ersetzungsbescheides vom 11.01.2022 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten in Höhe von 2.846,42 € zu erstatten, die ihr für die Durchführung der Kryokonservierung und die anschließende Lagerung der Eizellen bis zum 30.06.2021 entstanden sind.
3. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine Kryokonservierung in Höhe von 2.846,42 €.
Bei der im Jahr 1992 geborenen Klägerin wurde im Februar 2021 ein Sigmakarzinom diagnostiziert. Am 10.03.2021 erfolgte die operative Resektion. Die stationäre Behandlung dauerte bis zum 17.03.2021. Mit Antrag vom 24.03.2021 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Kryokonservierung im Sinne von fertilitätserhaltenden Maßnahmen vor einer Chemotherapie. Da ihr eine keimzellenschädigende Infusion verabreicht werde, sei für die Herbeiführung einer Schwangerschaft nach Abschluss der Chemotherapie eine Kryokonservierung zwingend erforderlich. Die Klägerin forderte die Beklagte auf, bis spätestens zum 31.03.2021 über den Antrag zu entscheiden, weil danach die Chemotherapie beginne und zuvor noch eine Corona-Schutzimpfung erfolgen müsse.
Die medikamentöse Vorbereitung der Kryokonservierung erfolgte ab dem 25.03.2023 durch Bezug der Medikamente. Am 31.03.2021 unterschrieb die Klägerin den Vertrag über die Kryokonservierung und Lagerung von reproduktiven Zellen mit der A. GmbH. Die Kryokonservierung wurde am 05.04.2021 bei der Klägerin durchgeführt. Im Anschluss erfolgte eine Impfung gegen Covid-19 und der Beginn der Chemotherapie am 21.04.2021. Der Beginn der Chemotherapie muss zeitnah nach der Operation eingeleitet werden. Das maximale Intervall für Einleitung der Chemotherapie ohne relevante Verschlechterung der Prognose beträgt 6-8 Wochen postoperativ.
Mit Bescheid vom 13.04.2021 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für die Kryokonservierung mit der Begründung ab, dass eine Kostenübernahme erst möglich sei, wenn eine EBM-Ziffer zur Abrechnung existiere. Hiergegen legte die Klägerin am 11.05.2021 und erneut am 08.07.2021 Widerspruch ein, weil die Beklagte den ersten Widerspruch zunächst für formunwirksam hielt. Die Klägerin begründete ihren Widerspruch damit, dass sie alle Voraussetzungen nach § 27a Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder Keimzellgewebe sowie entsprechende medizinische Maßnahmen wegen keimzellschädigender Therapie (Kryo-Richtlinie) erfülle und die Existenz einer EBM-Ziffer keine Anspruchsvoraussetzung sei. Mit Widerspruch vom 02.07.2021 wurde der Widerspruch als unzulässig zurückgewiesen. Mit Ersetzungsbescheid vom 11.01.2022 wurde der Widerspruchsbescheid vom 02.07.2021 aufgehoben und der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Seit dem 01.07.2021 übernimmt die Beklagte die Kosten für die Lagerung der Eizellen. Für den Zeitraum von Beginn der Kryokonservierung bis zum 30.06.2021 sind der Klägerin Kosten in Höhe von 2.846,42 € entstanden.
Am 06.08.2021 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben.
Sie trägt vor, dass in ihrem Fall die Leistungsvoraussetzungen nach § 27a Abs. 4 SGB V erfüllt seien. Sie habe einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V, da aufgrund der Chemotherapie, die spätestens 6 Wochen nach Resektion des Sigmakarzinoms am 10.03.2021 hätte begonnen werden müssen, die Durchführung der Kryokonservierung unaufschiebbar gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr die für die durchgeführte Kryokonservierung entstandenen Kosten i.H.v. 2.846,42 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass der Anspruch auf Kostenerstattung bereits daran scheitere, dass der Beschaffungsweg nicht eingehalten worden sei und es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V handele. Außerdem scheide ein Anspruch auf Leistungsgewährung aus, da die Modalitäten der Leistungsgewährung noch nicht festgelegt waren. Eine Abrechnung sei noch nicht möglich gewesen, da der Bewertungsausschuss im Zeitpunkt der Behandlung noch nicht über die Vergütung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) entschieden habe.
Das Gericht hat im Gerichtsverfahren Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und die Sitzungsniederschrift zum Erörterungstermin am 22.05.2023, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige kombinierte An...