Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsgebühren im einstweiligen Rechtschutzverfahren
Leitsatz (amtlich)
Sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im einstweiligen Rechtschutzverfahren ist eine individuelle Einzelfallbetrachtung der gebührenrechtlichen Bestimmungsmerkmale der §§ 3, 14 RVG vorzunehmen. Während dies im Hauptsacheverfahren in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle zu der Festsetzung der Mittelgebühr führt, so fallen im einstweiligen Rechtschutzverfahren oftmals niedrigere Gebühren als im Hauptsacheverfahren an. Ein Gebührenansatz oberhalb der Drittelgebühr ist in der Regel unbillig.
Tenor
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts E. vom 8. November 2005, Az. S 23 AS 565/05 ER, wird zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren im Kostenfestsetzungsverfahren.
1. Im zugrundeliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren wandte sich die Antragstellerin gegen die ratenweise Einbehaltung von Rückforderungsansprüchen im Rahmen von Arbeitslosengeld II Leistungen.
Am 9. September 2005 stellte die Antragstellerin vor dem erkennenden Gericht einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Sie begehrte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen einen Bescheid des Antragsgegners, mit welchem dieser die Einbehaltung von Sozialleistungen vornahm. Der Antragsgegner gab am 10. Oktober 2005 ein Sachanerkenntnis und ein Kostenanerkenntnis ab. Das Anerkenntnis wurde von der Antragstellerin angenommen.
2. Mit Kostenrechnung vom 24. Oktober 2005 machte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die folgenden Gebühren geltend:
Verfahrensgebühr für Verfahren vor Sozialgericht § 14, Nr. 3102 VV RVG 250,00 €
Terminsgebühr im Verfahren vor Sozialgericht § 14, Nr. 3106 VV RVG 200,00 €
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Zwischensumme netto |
470,00 € |
16 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG |
75,20 € |
zu zahlender Betrag |
545,20€ |
Bei der Verfahrens- und Terminsgebühr brachte er die jeweilige Mittelgebühr in Ansatz. Der Antragsgegner übermittelte die Kostenrechnung am 1. November 2005 zur förmlichen Kostenfestsetzung an das Gericht.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle brachte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. November 2005 die folgenden Gebühren in Ansatz:
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Verfahrensgebühr §§ 3, 14 RVG Nr. 3102 |
170,00 € |
Terminsgebühr §§ 3, 14 RVG Nr. 3106 VV |
135,00 € |
Pauschale für Kommunikationsdienstleistungen |
20,00 € |
16 v.H. MwSt Nr. 7008 VV |
52,00€ |
Summe |
377,00 € |
Die Verfahrens- und die Terminsgebühr setzte er in Höhe der Drittelgebühr fest. Die anwaltliche Gebührenbestimmung in der geltend gemachten Kostenrechnung sei unbillig, da Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit -ähnlich wie bei einer Untätigkeitsklage - deutlich unterdurchschnittlich seien. Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Angelegenheit rechtfertige sich insgesamt eine Festsetzung in Höhe der Drittelgebühr.
Gegen den am 9. November 2005 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die am 11. November 2005 beim Sozialgericht Hildesheim eingegangene Erinnerung, mit welcher der Bevollmächtigte eine Kostenfestsetzung in Höhe der Mittelgebühr verlangt. Zur Begründung vertritt er die Ansicht, dass Eilverfahren nach § 86 Abs. b SGG regelmäßig deutlich aufwendiger als Hauptsacheverfahren seien. In jedem Fall sei eine mehr oder weniger umfangreiche materiell rechtliche Begründung erforderlich. Zudem weist er darauf hin, dass die Betragsrahmengebühren in sozialrechtlichen Angelegenheiten ohnehin sehr niedrig seien. Eine individuelle Aufwandsprüfung im Einzelfall sei nicht durchzuführen, da der Zweck der Mittelgebühr gerade darin liege, Streitigkeiten über die Kostenhöhe zu vermeiden.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
Die Erinnerung ist zulässig aber unbegründet.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat zu Recht eine Festsetzung in Höhe der Drittelgebühr vorgenommen. Ein darüber hinausgehender Gebührenansatz ist nicht verbindlich, da er unbillig ist.
Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, so ist die von dem Rechtsanwalt betroffene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Dies ist vorliegend der Fall, da die Kriterien des § 14 RVG eine Qualifikation der Angelegenheit als durchschnittlich nicht zu rechtfertigen vermögen. Sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist eine individuelle Einzelfallbetrachtung der gebührenrechtlichen Bestimmungsmerkmale vorzunehmen. Während dies im Hauptsacheverfahren in der ganz überwiegender Zahl der Fälle zu der Festsetzung der Mittelgebühr führt, so fallen im eins...