Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung. Beitragspflicht. versicherungspflichtiger Beschäftigter mit Kindern. Finanzierung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die grundsätzliche Beitragspflicht von versicherungspflichtigen Beschäftigten mit Kindern gemäß § 1 S 1 Nr 1 SGB 6 ist ebenso wie in der sozialen Pflegeversicherung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Bundesverfassungsgericht vom 3.4.2001 für die sogenannte solidarische Pflegeversicherung aufgezeigten Gesichtspunkte zur Finanzierung sind jedoch nicht ohne Weiteres auf den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung zu übertragen (vgl BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 = BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2).
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Beitragshöhe.
Der 1959 geborene Kläger ist geschieden und Vater von vier in den Jahren 1985, 1986, 1990 und 1993 geborenen Kindern. Seit dem 01.01.2001 ist er Mitglied bei der Beklagten.
Aus seiner abhängigen Beschäftigung als Theologe bei dem Beigeladenen zu 2) erzielt er nach seinen Angaben ein jährliches Bruttoeinkommen von 57.600,00 Euro. Nach seinen Angaben erhält er ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 2.300,00 Euro monatlich, von dem er 1.070,00 Euro Unterhaltszahlungen an seine Kinder und seine geschiedene Ehefrau zahlen muss. Ein Sohn lebt bei ihm. Zum Lebensunterhalt für ihn und für seinen Sohn verbleiben dem Kläger von seinem Einkommen als Theologe 1.230,00 Euro, aus einer Nebentätigkeit als Taxifahrer durchschnittlich 100,00 Euro monatlich sowie das Kindergeld für den Sohn.
Im August 1996 wandte der Kläger sich gegenüber der Beigeladenen zu 1) gegen die Beitragserhebung zur gesetzlichen Rentenversicherung, weil diese nicht mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar sei. Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 01.10.1996/Widerspruchsbescheid vom 09.01.1997 ab, auf die Erhebung von Pflichtbeiträgen zu verzichten. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Köln, mit der er hilfsweise die Verminderung der von ihm zur Rentenversicherung entrichteten Beiträge begehrte. Zur Begründung führte er aus, er sei durch die Rentenversicherungspflicht in seinen Grundrechten verletzt. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz sei verletzt, weil seine Generation steigende Abgabenlasten zu tragen habe, selbst aber nicht mehr mit einer auskömmlichen Alterssicherung rechnen dürfe. Damit indiziere der intertemporale Vergleich einen Gleichheitsverstoß, denn mit Belastungsgleichheit sei auch eine Gleichheit in der Zeit gemeint.
Ein weiterer Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz liege darin, dass er im Vergleich zu Kinderlosen benachteiligt werde, denn er leiste mit der Erziehung der Kinder zusätzlich zu seinen monitären Beiträgen noch bestandssichernde Leistungen für das Rentensystem, ohne das diesen auch nur annähernd wertentsprechende Gegenleistungen gegenüber stünden. Durch Art. 6 Grundgesetz sei dem Gesetzgeber der Verfassungsauftrag erteilt worden, die Transferausbeutung der Familien in den Sozialsystemen mit jedem Gesetzgebungsschritt ein Stück weiter abzubauen. Zur Erfüllung dieses Verfassungsauftrags habe der Gesetzgeber jedoch noch nichts unternommen, sondern die Situation der Eltern im Rentenrecht per Saldo noch verschlechtert.
Art. 14 Grundgesetz sei verletzt, weil seine, des Klägers, Steuer- und Beitragslast inzwischen erdrosselnde Wirkung erreicht habe. Sein selbst erarbeitetes frei verfügbares Einkommen werde zu mehr als der Hälfte konfisziert.
Durch die Zwangseingliederung in die gesetzliche Rentenversicherung werde Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz verletzt. Eine solche Zwangsmitgliedschaft sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BverfG) nur dann möglich, wenn der Einzelne hierdurch nicht unnötig in Anspruch genommen werde. Dies sei im Hinblick auf die katastrophalen Systemperspektiven der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr der Fall.
Desweiteren seien die Kompetenznormen des Grundgesetzes und die Regeln der Finanzverfassung verletzt. Dies sei im Hinblick auf die Prüfung der Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit erheblich, denn nur ein mit der verfassungsmäßigen Ordnung materiell und formell in Einklang stehendes Gesetz dürfe die Handlungsfreiheit zulässig beschränken. Die versicherungsfremde Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung führten aber dazu, dass es zu einer Konkurrenzsituation zu Steuer komme und damit typischerweise ein Konflikt mit den Regeln der Finanzverfassung beruhe. Der Gesetzgeber missbrauche die Beitragsfinanzierung gezielt, um Abgabenwiderstände zu unterlaufen.
Auch das Sozialstaatsprinzip sei verletzt. Durch die Rentenform werden die Lohnspreizung zwischen Geringverdienenden und Besserverdienenden weiter verschärft. Darüber hinaus sei die Beitragserhebungen nicht mit dem europäischen Recht vereinbar. Die Beigeladene zu 1) s...