Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Ermittlung der angemessenen Vergütung. Umfang des Toleranzrahmens eines Rechtsanwalts bei der Ermittlung der Gebührenhöhe im Falle von Betragsrahmengebühren
Orientierungssatz
1. Einem Rechtsanwalt steht jedenfalls dann ausnahmsweise kein Toleranzrahmen bei der Bestimmung einer anwaltlichen Gebühr innerhalb eines Betragsrahmen zu, wenn die Mittelgebühr aufgrund der Umstände im Einzelfall die einzig zutreffende Vergütung für die Tätigkeit widerspiegelt, vgl. BSG, Urteil vom 01. Juli 2009 - B 4 AS 21/09.
2. Einzelfall zur Ermittlung der Höhe der Verfahrensgebühr in einem sozialgerichtlichen Verfahren über eine Erwerbsminderungsrente (hier: Annahme einer überdurchschnittlichen Tätigkeit).
Tenor
Die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 14. Juni 2010 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 03. Juni 2010 - S 13 R 218/09 - wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Erinnerungsführer vom Erinnerungsgegner im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe in einem Klageverfahren zu erstattenden Gebühren. Im zugrunde liegenden Klageverfahren (S 13 R 218/09) begehrte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab Dezember 2008. Das Verfahren endete ohne Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung durch die Annahme eines von der Beklagten vorgeschlagenen Vergleiches.
Streitig im vorliegenden Erinnerungsverfahren sind die Höhe der Verfahrensgebühr und die Höhe der Einigungsgebühr. Der Erinnerungsführer macht eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG in Höhe von 380,00 € und eine Einigungsgebühr in Höhe von 220,00 € geltend. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle berücksichtigte in ihrem Beschluss eine Verfahrensgebühr in Höhe von 300,00 € und eine Einigungsgebühr in Höhe von 190,00 €.
II.
Die nach § 56 Abs. 1 RVG erhobene Erinnerung vom 14. Juni 2010 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 03. Juni 2010 - S 13 R 218/09 ist unbegründet.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die aus der Staatskasse zu gewährende Prozesskostenhilfe zu Recht auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 619,99 € festgesetzt. Zur Begründung seiner Entscheidung nimmt das Gericht zunächst gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem angefochtenen Beschluss Bezug und macht sich diese zur Vermeidung nicht gebotener Wiederholungen zu Eigen.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch des Erinnerungsführers ist § 45 Abs. 1 RVG.
Danach hat der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor Gerichten eines Landes Anspruch auf die gesetzliche Vergütung aus der Landeskasse. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Zwar gilt Satz 4 der Vorschrift nicht, wenn es sich - wie hier - um ein Verfahren handelt, in dem um die Höhe des Prozesskostenhilfevergütungsanspruches gestritten wird, weil die Staatskasse nicht Dritter, sondern Vergütungsschuldner ist. Dennoch findet zu ihren Gunsten eine Billigkeitskontrolle statt (Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, § 55, Rn 29). Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, - L 1 B 320/05 SF SK, zitiert nach juris). Die Aufzählung der Bemessungskriterien in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift (“vor allem") nicht abschließend, so dass weitere, unbenannte Kriterien mit einbezogen werden können. Sämtliche heranzuziehende Kriterien stehen selbstständig und gleichwertig nebeneinander (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 01. Juli 2009, - B 4 AS 21/09 R, zitiert nach juris). Für jede Rahmengebühr ist dabei eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich.
Es entspricht allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehm...