Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Erinnerungsverfahren gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung aus Prozesskostenhilfemitteln. Bemessung der Verfahrensgebühr. Bemessung der "fiktiven" Terminsgebühr bei Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis
Leitsatz (amtlich)
Zur Höhe der Prozesskostenhilfevergütung in einem grundsicherungsrechtlichen Klageverfahren nach dem SGB II, in dem Betragsrahmengebühren entstehen; insbesondere zur Bemessung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG und der (fiktiven) Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG sowie zur Entstehung der Erledigungsgebühr nach Nr. 1005/1006 VV-RVG und schließlich zur Frage, inwieweit ein Austausch von Gebührentatbeständen durch das Gericht möglich und geboten ist.
Orientierungssatz
1. Der beigeordnete Rechtsanwalt ist in Verfahren über die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung aus Prozesskostenhilfemitteln (neben der Staatskasse) gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) allein erinnerungsbefugt.
2. Im Kostenfestsetzungsverfahren dürfen der Urkundsbeamte nach § 197 Abs. 1 SGG oder das Gericht nach § 197 Abs. 2 SGG nicht über den Betrag hinausgehen, dessen Erstattung begehrt wird. Ebenso unzulässig ist es, den Sachverhalt, aufgrund dessen die einzelnen Gebührentatbestände geltend gemacht werden, von Amts wegen zu verändern oder zu erweitern. Zulässig und geboten ist es dagegen, den geltend gemachten Kostenanspruch unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten, dass heißt unter allen in Betracht kommenden Gebührentatbeständen des Vergütungsverzeichnisses zu prüfen.
3. Bei der Bemessung der Terminsgebühr nach Nr. 3106 - Ziffer 1 bis Ziffer 3 - VV RVG ist in Anwendung der Grundsätze des § 14 RVG auf den hypothetischen Aufwand abzustellen, der bei Durchführung eines Termins im konkreten Verfahrensstadium voraussichtlich entstanden wäre. Daher ist eine fiktive Vergleichsbetrachtung anzustellen, in welcher Höhe ein Gebührenanspruch voraussichtlich entstanden wäre, wenn ein Termin stattgefunden hätte.
4. Bei der fiktiven Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV-RVG - also bei Erledigung durch angenommenes Anerkenntnis - besteht die Besonderheit, dass ein Anerkenntnis vorliegt, das im (hypothetischen) Termin lediglich noch der Annahme bedurft hätte, ein solcher Termin insoweit mit keinem besonderen Aufwand verbunden gewesen wäre.
Tenor
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 06. Februar 2009 wird die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 27. Januar 2009 - S 28 AS 836/08 - geändert.
Die aus der Staatskasse an den Erinnerungsführer zu erstattende Prozesskostenhilfevergütung wird endgültig auf einen Betrag in Höhe von 416,50 € festgesetzt. Hiervon ist der bereits gezahlte Vorschuss in Höhe von 297,50 € in Abzug zu bringen.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.
Gründe
Der Erinnerungsführer macht als beigeordneter Rechtsanwalt einen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Vergütung aus Prozesskostenhilfemitteln der Staatskasse geltend. Im zugrunde liegenden Klageverfahren stritten die dortigen Beteiligten um die Rechtmäßigkeit der von der dortigen Beklagten vorgenommenen Einkommensanrechnung im Rahmen der Leistungsgewährung nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II). Das Verfahren endete nach etwa fünfmonatiger Verfahrensdauer durch die Annahme eines von dem Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses.
Die Erinnerung hat im tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen war sie zurückzuweisen.
Der beigeordnete Rechtsanwalt ist in Verfahren über die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung aus Prozesskostenhilfemitteln (neben der Staatskasse) gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) allein erinnerungsbefugt (vgl. Gerold-Schmidt-Müller-Rabe, RVG, § 56, Rdn. 6). Das Rubrum war dementsprechend von Amts wegen zu berichtigen.
Die danach gemäß § 56 Abs. 1 RVG gegen die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 27. Januar 2009 - S 28 AS 836/08 - erhobene Erinnerung des Erinnerungsführers ist zulässig und (teilweise) begründet.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Kosten des Rechtsstreits zu Unrecht lediglich auf einen Betrag in Höhe von 297,50 € festgesetzt. Die Kammer hält vielmehr eine Rechtsanwaltsvergütung in Höhe eines Betrages von 416,50 € für angemessen. Dabei ist die Verfahrensgebühr in Höhe eines Betrages von 230,00 € (dazu unter 1.) in die Berechnung einzustellen; der Erinnerungsführer hat ferner eine Terminsgebühr in Höhe eines Betrages von 100,00 € (dazu unter 2.), jedoch keine Erledigungsgebühr (dazu unter 3.) verdient. Die übrigen Gebührenposi...