Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der fiktiven Terminsgebühr bei angenommenem Anerkenntnis

 

Orientierungssatz

1. Wird der Rechtsstreit durch die Annahme eines Anerkenntnisses beendet, ohne dass ein Termin tatsächlich nicht stattgefunden hat, so ist dennoch eine Terminsgebühr - fiktive Terminsgebühr - nach Nr. 3106 VV-RVG entstanden.

2. Bei der Bemessung der fiktiven Terminsgebühr sind alle Kriterien des § 14 RVG in die Abwägung einzustellen. Bei der fiktiven Terminsgebühr ist als Besonderheit zu berücksichtigen, dass ein Anerkenntnis vorliegt, welches im hypothetischen Termin lediglich noch der Annahme bedurft hätte, ein solcher Termin insoweit mit keinem besonderen Aufwand verbunden gewesen wäre.

3. Bei einem unterdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad des Streitgegenstandes, unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und geringfügig überdurchschnittlicher Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger erscheint die Festsetzung der fiktiven Terminsgebühr mit 100,- €. angemessen.

 

Tenor

Auf die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 08. März 2007 - S 6 SB 199/06 - werden die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits endgültig auf einen Betrag in Höhe von 573,91 € festgesetzt.

Dieser Betrag ist seit dem 09. Februar 2007 mit jährlich fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin und Erinnerungsführerin (im Folgenden: Klägerin) von dem Beklagten und Erinnerungsgegner (im Folgenden: Beklagter) im Rahmen des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits. Dabei steht (lediglich noch) die Bemessung der fiktiven Terminsgebühr im Streit.

Im zugrunde liegenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Lüneburg (Az.: S 6 SB 199/06) begehrte die Klägerin im Wesentlichen die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “aG„ (außergewöhnliche Gehbehinderung) im Rahmen eines Verfahrens nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Nach Vorlage eines ärztlichen Gutachtens der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 10. August 2006 durch die Klägerin gab der Beklagte mit Schriftsatz vom 17. Januar 2007 ein umfassendes Anerkenntnis ab, verpflichtete sich, bei der Klägerin die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens “aG„ ab März 2005 festzustellen und erklärte sich ferner bereit, die Kosten des Rechtsstreits in voller Höhe zu erstatten. Dieses Anerkenntnis nahm die Klägerin zur Gesamterledigung des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 07. Februar 2007 an.

Mit Schriftsatz vom gleichen Tage hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Festsetzung von Kosten für das Widerspruchs- und das Klageverfahren in Höhe von insgesamt 805,93 € beantragt, wobei er die hier noch allein streitige Terminsgebühr mit einem Betrag in Höhe von 200,00 € geltend machte.

Mit Beschluss vom 08. März 2007 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die von dem Beklagten der Klägerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf insgesamt einen Betrag in Höhe von 478,71 € festgesetzt und dabei für das Klageverfahren eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG in Höhe von 20,00 € zugrunde gelegt. Hinsichtlich der Terminsgebühr richte sich deren Höhe nach dem Aufwand, den der Prozessbevollmächtigte in einem fiktiven Termin entfaltet hätte. Dieser Umstand rechtfertige unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens - gerichtet auf die Schaffung eines Anreizes für den Rechtsanwalt, ein Anerkenntnis auch außerhalb einer mündlichen Verhandlung anzunehmen - nur die Zuerkennung der Mindestgebühr. Bei diesem Sachverhalt brauchte es keinen Anreiz für den Rechtsanwalt, ein Anerkenntnis außerhalb eines Gerichtstermins für die Mandantschaft anzunehmen.

Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 16. März 2007 die Entscheidung des Gerichts beantragt. Die Kürzung der Terminsgebühr sei rechtswidrig, weil sie mit der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren sei. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, dass die Terminsgebühr im vollen Umfang auch ohne mündliche Verhandlung entstehe, was sich insbesondere auch aus den Motiven des Gesetzgebers entnehmen lasse. Ferner müsse eine Gleichbehandlung von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, bei denen nach der Gebührenziffer 3104 immer die volle Terminsgebühr mit 1,2 anfalle, und sozialgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten erreicht werden. Daher sei zur Gleichbehandlung aller Gerichtszweige immer von der Mittelgebühr auszugehen.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat nicht abgeholfen (23. März 2007).

II.

Die gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Erinnerung ist teilweise begründet.

Der Urkundsbe...

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