Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss der Terminsgebühr bei Verfahrensabschluss durch schriftlichen Vergleich außerhalb einer mündlichen Verhandlung
Orientierungssatz
1. Wird das sozialgerichtliche Verfahren durch einen Vergleich beendet, so fällt die Terminsgebühr nur dann an, wenn dieser Vergleich in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin geschlossen wird.
2. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass hinsichtlich des Nichtanfalls der Terminsgebühr bei einer Verfahrensbeendigung durch schriftlichen Vergleich außerhalb der mündlichen Verhandlung eine planwidrige Gesetzeslücke vorhanden wäre. Deshalb fehlen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Nrn. 3202, 3104 VV-RVG. Eine Rechtsfortbildung durch Richterrecht ist daher auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ausgeschlossen.
Tenor
Die Erinnerung der Erinnerungsführerin und Klägerin vom 22. Mai 2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 15. April 2009 - S 1 R 442/06 - wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Diese Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen anfechtbar.
Gründe
Die Beteiligten streiten im Erinnerungsverfahren noch um die Höhe der der Erinnerungsführerin und Klägerin (im Folgenden nur: Erinnerungsführerin) durch die Erinnerungsgegnerin und Beklagten (im Folgenden nur: Erinnerungsgegnerin) zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten eines rentenversicherungsrechtlichen Klageverfahrens. In diesem Verfahren stritten die Beteiligten um das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer vollen Erwerbsminderung der Erinnerungsführerin nach Maßgabe der Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI). Das Verfahren endete - ohne Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung oder eines Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage - durch die übereinstimmende Annahme eines vom Gericht vorgeschlagenen Vergleiches. Im Streit des vorliegenden Erinnerungsverfahrens steht nach dem Vorbringen der Beteiligten nur noch die Entstehung einer (fiktiven) Terminsgebühr.
Die Erinnerung bleibt erfolglos; sie war daher zurückzuweisen.
Die gemäß § 197 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 15. April 2009 - S 1 R 442/06 - ist zulässig, jedoch unbegründet. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss hält der beantragten gerichtlichen Überprüfung stand. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die beantragte (fiktive) Terminsgebühr zu Recht nicht festgesetzt.
Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - (RVG)) der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein gewisser Toleranzrahmen zusteht. Unbilligkeit liegt vor, wenn er die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, L 1 B 320/05 SF SK, zitiert nach juris). Dabei ist für jede Rahmengebühr eine eigene Prüfung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG erforderlich. Die unterschiedliche Abgeltung der anwaltlichen Tätigkeit mit unterschiedlichen Gebühren verbietet es, die Bewertung bei einer Rahmengebühr automatisch auf eine andere Rahmengebühr zu übertragen. Dies gilt sowohl für die Verfahrens- und Terminsgebühr (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006, a. a. O. sowie Keller in jurisPR-SozR 10/2006, Anm. 6) als auch für die der Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr.
Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb des jeweiligen Gebührenrahmens angeht, entspricht es allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angemessenes Äquivalent für die anwaltliche Tätigkeit in einem in jeder Hinsicht durchschnittlichen Streitverfahren darstellt. Davon ausgehend sind sodann Abschläge für unterdurchschnittliche und Zuschläge für überdurchschnittliche Verfahren vorzunehmen. Dabei kann im Übrigen etwa die Überdurchschnittlichkeit eines Bewertungskriteriums durch die Unterdurchschnittlichkeit anderer Bewertungskriterien kompensiert werden.
Entgegen der Auffassung des Erinnerungsführ...