Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Rechtsanwaltsgebühr im Fall der Untätigkeitsklage. Terminsgebühr. Erledigungsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Fall einer Untätigkeitsklage, die sich nach Klageerhebung ohne weiteres durch Erlass des Widerspruchsbescheids unstreitig erledigt, ist ein deutlich unterdurchschnittliches Klageverfahren gegeben. Dies ist bei der Bemessung der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen. Eine Kürzung der Mittelgebühr um 50 % entspricht unter Beachtung der Maßstäbe des § 14 Abs 1 RVG der Billigkeit.

2. In einem solchen Fall entsteht keine Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG. Dazu fehlt es an einer Beendigung des Verfahrens durch Annahme eines prozessualen Anerkenntnisses.

3. Auch die Voraussetzungen für die Erledigungsgebühr nach Nr 1005 VV RVG sind nicht erfüllt. Die insoweit nach der Rechtsprechung des BSG, der die Kammer folgt, erforderliche qualifizierte anwaltliche Mitwirkung, die kausal für die Erledigung des Rechtsstreits gewesen ist, liegt nicht vor.

 

Tenor

Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. November 2007 wird auf die Erinnerung der Beklagten dahingehend abgeändert, dass die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für das Klageverfahren auf insgesamt 172,55 € festgesetzt werden.

Im Übrigen wird die Erinnerung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Erinnerung des Klägers wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der zu Gunsten des Klägers erstattungsfähigen Kosten.

In der Hauptsache begehrte der Kläger mit seiner am 7. September 2007 (Eingangsdatum) erhobenen Untätigkeitsklage die Bescheidung seines Widerspruchs vom 18. April 2007. Dieser richtete sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 13. April 2007, mit dem diese die Krankenversicherung des Klägers auf eine freiwillige Versicherung ohne Anspruch auf Krankengeld umstellte und die Beiträge entsprechend anpasste. Im Klageverfahren teilte die Beklagte in Beantwortung der gerichtlichen Eingangsverfügung mit, der begehrte Widerspruchsbescheid werde voraussichtlich am 27. September 2007 ergehen. Als dies geschah, erklärte der Kläger den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 28. September 2007 für erledigt.

Zugleich beantragte der Kläger, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen und (sinngemäß) die gerichtliche Kostenfestsetzung. Im Einzelnen begehrte er die Übernahme folgender Gebühren:

- Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG

= 175 €,

- Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG

= 140 €,

- Post- und Telekommunikationsentgeltpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG  

= 20 €,

- 19 % Umsatzsteuer

= 63,65 €,

in der Summe also

398,65 €.

Die Beklagte gab ein Kostengrundanerkenntnis ab, verwahrte sich jedoch gegen die Höhe der Gebühren.

Der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Marburg setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. November 2007 die zu erstattenden Kosten fest und reduzierte dabei die von der Beklagten zu übernehmenden Anwaltsgebühren auf insgesamt 285,60 €. Zur Begründung führte er aus, dass es sich um eine Untätigkeitsklage gehandelt habe und daher nur eine Verfahrensgebühr in Höhe von 50 % unter der Mittelgebühr des Gebührenrahmens der Nr. 3102 VV RVG gerechtfertigt sei. Ferner sei anstelle der beantragten Terminsgebühr eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG anzusetzen.

Gegen den am 12. November 2007 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss haben beide Beteiligte fristgerecht beim Sozialgericht Marburg Erinnerung eingelegt, der der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht abgeholfen hat.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes und insbesondere wegen des Vorbringens der Beteiligten zur Begründung der erhobenen Erinnerungen wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Die gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und form- und fristgerecht erhobenen Erinnerungen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Marburg vom 7. November 2007 sind zulässig. Die Erinnerung des Klägers ist jedoch unbegründet; die der Beklagten nur teilweise begründet.

Die angegriffene Kostenfestsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist abzuändern, da sie die Anwaltsgebühren für das vorliegende Klageverfahren zu hoch festsetzt. Gegen die Beklagte sind Kosten in Höhe von insgesamt 172,55 € festzusetzen.

Bezüglich der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG verbleibt es bei der vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzten Höhe von 125,00 €. Zur Begründung wird auf den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. November 2007 verwiesen. Zu Recht ist der zuständige Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bezüglich der Verfahrens- bzw. Geschäftsgebühr von dem Gebührenrahmen der Nr. 3102 VV RVG (40 bis 460 €) ausgegangen. Was die Bestimmung der angemessenen Gebühr innerhalb dieses Gebührenrahmens angeht, ist die Kammer der Auffassung, dass grundsätzlich auch bei einer Untätigkeitsklage zunächst von der Mittelgebühr auszugehen ist. Es entspricht allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass die Mittelgebühr ein angeme...

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