Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Vakzinationstherapie mit dendritischen Zellen bei Vorliegen eines malignen Melanoms. Vorliegen einer auf Indizien gestützten nicht ganz fernliegenden Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf
Orientierungssatz
Bei einer Behandlung mit dendritischen Zellen kann bei bestimmten Erkrankungen (hier: lebensbedrohliche Erkrankung mit einem malignen Melanom) eine auf Indizien gestützte nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen.
Tenor
1. Der Bescheid vom 09.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2013 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die mit Rechnung vom 02.09.2013 ausgewiesenen Kosten für die Impfung mit dendritischen Zellen in Höhe von 4.964,40 € zu übernehmen.
2. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für eine Impfung mit dendritischen Zellen.
Der Kläger, geboren 1969, ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Februar 2011 wurde bei dem Kläger ein malignes Melanom (Clark Level III C) am Bauch festgestellt. Dieses wurde im Hautzentrum Marburg operiert und im Universitätsklinikum Heidelberg nochmals nachoperiert. Von Juni 2011-Dezember 2012 wurde der Kläger im Rahmen einer adjuvanten Immuntherapie mit Interferon alpha II b behandelt. Im August 2012 zeigte sich ein Lymphknotenrezidiv unter dem Arm, das ebenfalls operativ entfernt wurde. Im März 2013 wurden 29 Lymphknoten an der Universitätsklinik Marburg entfernt. Von diesen waren 7 befallen.
Den Antrag des Klägers auf Kostenübernahme für eine Immuntherapie mit dendritischen Zellen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.07.2013 ab. Sie berief sich dabei auf ein Gutachten des MDK vom 02.07.2013. Der MDK hatte festgestellt, dass es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung handele, für die eine medikamentöse Therapiealternative, die das Risiko für eine erneute regionäre- oder Fernmetastasierung reduziere, nicht zur Verfügung stünde. Alternativ sei jedoch eine engmaschige Nachsorge und die Option der regionalen Verfahren verfügbar. Im Rahmen der Literaturrecherche habe man keine wissenschaftliche Literatur identifizieren können, die den Nutzen einer dendritischen Zelltherapie für die adjuvante Situation bei malignem Melanom untersucht hätte. Es handele sich um eine experimentelle Therapie, die nur im Rahmen von klinischen Studien erfolgen solle. Dies entspreche auch der Empfehlung der Deutschen Krebsgesellschaft.
Der Kläger legte gegen den ablehnenden Bescheid Widerspruch ein und begann auf eigene Kosten die beantragte Therapie. Er legte im Verwaltungsverfahren eine Rechnung vom 02.09.2013 über die 1. Impfung über 4.964,40€ vor. Nach erneuter Befassung des MDK - ohne neue Erkenntnisse - wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2013 zurück, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen auf die fehlende wissenschaftliche Datenlage verwies.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage vom 04.12.2013, die der Kläger zudem mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz verband. Das Gericht hat den ER-Antrag mit Beschluss vom 14.01.2014 abgelehnt.
Im Klageverfahren trägt der Kläger vor, dass die Immuntherapie, die von der Oberärztin Dr. C. vom Universitätsklinikum Erlangen befürwortet werde, die bestmögliche Therapie sei und die längsten Überlebenschancen biete. Durch das Universitätsklinikum Erlangen sei eine Immuntherapie mit autologen dendritischen Zellen, beladen mit synthetisch hergestellter RNA, geplant. Bei dieser Behandlungsmethode finde kein patienteneigenes Tumormaterial Verwendung. Bezüglich dieser Therapie bestehe keine negative Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses. Die Voraussetzungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 lägen allesamt vor. Es sei mit den Grundrechten aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz nicht vereinbar, einem gesetzlich Krankenversicherten für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung zu stellen, von der Leistung einer ihm gewählten ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe. Ein weiteres Zuwarten, wie es die Beklagte empfehle, sei als ethisch schon sehr bedenklich anzusehen. Im Gegensatz zur Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 27.08.2012 sei vorliegend gerade keine Mischbehandlung beantragt, sondern eine reine Vakzinationstherapie mit dendritischen Zellen. Insofern seien die Sachverhalte nicht vergleichbar.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 09.07.2013 in der Gestalt des Wid...