Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrags(zahn)ärztliche Versorgung. Auslegung von Gebührenordnungspositionen. Ausschluss der sachlich-rechnerischen Richtigstellung aus Gründen des Vertrauensschutzes. Vertrauensschutz besteht nur gegenüber Kassen(zahn)ärztlicher Vereinigung
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Auslegung von Gebührenordnungspositionen im Vertrags-(zahn)arztrecht kommt ist in erster Linie der Wortlaut der Leistungslegende maßgeblich. Eine systematische Interpretation bzw. eine teleologische Reduktion kommen nur bei unklarer Leistungslegende ergänzend zur Anwendung (vgl BSG vom 15.11.1995 - 6 RKA 57/94 = SozR 3-5535 Nr 119 Nr 1 S 5).
2. Aus Gründen des Vertrauensschutzes kann die Vornahme einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung ausgeschlossen sein. Dies setzt voraus, dass die Klägerin aufgrund des Verhaltens der Kassen-(zahn)ärztlichen Vereinigung davon ausgehen konnte, diese werde keine Streichungen der strittigen Gebührenordnungspositionen vornehmen.
3. Vertrauensschutz besteht nur gegenüber der Kassen-(zahn)ärztlichen Vereinigung, soweit deren originäre Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung nach § 106a Abs 1 und 2 SGB V eröffnet ist, nicht jedoch, soweit die Befugnis den Krankenkassen gem § 106a Abs 3 und 4 SGB V erteilt ist und diese ihrerseits keinen Vertrauenstatbestand gesetzt haben.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage richtet sich gegen eine sachlich-rechnerische Richtigstellung im Quartal 1/15. Mit dem Ausgangsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2018 setzte die Beklagte die Gebührenordnungsposition 01793 neben der Gebührenordnungsposition 11322 im "Krankheitsfall" auf Antrag der beigeladenen Krankenkasse ab. Die Rückforderung belief sich auf € 540,91. Im Behandlungsfall F.K. brachte die Klägerin, ein MVZ, im Quartal 1/2015 die GOP 01793 in Ansatz. Des Weiteren wurden in den Vorquartalen die GOP 11320 und die GOP 11322 abgerechnet. Die Beklagte bezog sich dabei auf den Wortlaut der Leistungslegenden. Ein Vertrauensschutz sei nicht erkennbar.
Dagegen ließ die Klägerin Klage zum Sozialgericht München einlegen. Sie wies darauf hin, es handle sich um eine erneute Schwangerschaft nach ärztlichem Schwangerschaftsabbruch. Deshalb sei von einem neuen "Krankheitsfall" auszugehen. Die Beklagte habe gegen das Gebot auf rechtliches Gehör verstoßen. Des Weiteren sei auf das Schreiben der KVB vom 30.01.2009 hinzuweisen. Danach wurde unter anderem folgendes vom Vorsitzenden des Vorstands der Beklagten, Herrn Dr. W. mitgeteilt:
"Hinsichtlich des Abrechnungsausschlusses der Gebührenordnungspositionen 11320-11322 kann ich Ihnen mitteilen, dass wir weiterhin bei der Abrechnung dieser Gebührenordnungspositionen nebeneinander keine Streichung vornehmen."
Die Beklagte machte darauf aufmerksam, die Klägerin habe im Quartal 1/15 am 18.03.2015 die GOP 11322 abgerechnet und am 26.03.2015 die GOP 01793 in Ansatz gebracht. Auch, wenn durch die erneute Schwangerschaft ein neuer Krankheitsfall eingetreten sein sollte, bleibe es bei den Vorgaben des EBM, nämlich dem Verbot der Nebeneinanderabrechnung. Ein Verstoß gegen das Gebot auf rechtliches Gehör sei nicht erkennbar. Im Übrigen sei eine Heilung nach § 41 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 SGB X eingetreten.
Nach Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin verkenne die Beklagte, dass eine neue Schwangerschaft vorgelegen habe. Die Gebührenordnungspositionen, die sich auf eine Schwangerschaft bezögen, könnten nicht auf die andere Schwangerschaft derart ausstrahlen, dass dort die Abrechnung bestimmter GOP’s versagt sei.
In der mündlichen Verhandlung am 15.05.2019 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten besprochen. Dabei wurde festgestellt, dass die erste Schwangerschaft in den Quartalen 3/14 und 4/14 vorlag. Es seien Untersuchungen vorgenommen worden, die zu einem gravierenden Befund (Glasknochenkrankheit) geführt hätten. Daraufhin sei die Schwangerschaft abgebrochen worden. Im Hinblick auf die erste Schwangerschaft sei auch die Diagnostik bei der zweiten Schwangerschaft wiederholt worden (Leistungen der GOP’s 01793 und GOP 11322). Diese Untersuchungen hätten im ersten Quartal 2015 stattgefunden. Auf Frage des Gerichts wurde mitgeteilt, dass bis zum Quartal 1/2015 eine Streichung der GOP 01793 neben der GOP 11320 und 11322 nicht erfolgt sei. Die Vertreterin der Beklagten machte darauf aufmerksam, es handle sich bei der GOP 01793 um eine extrabudgetäre Leistung. In diesem Fall sei die Krankenkasse berechtigt, bei der Beklagten nach § 106d Abs. 4 SGB V einen Antrag auf sachlich-rechnerische Richtigstellung zu stellen. Die Beklagte habe keine eigene Prüfungskompetenz.
Die mündliche Verhandlung wurde vertagt und der Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgegeben, dem Gericht bis spätestens 24.05.2019 (Eingang bei Gericht) mitzuteilen, ob die Klage unter dem Aktenzeichen S 38 KA 201/...