Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit bei einem in einer Krankengymnastik-Praxis tätigen Physiotherapeuten
Orientierungssatz
1. Bei der Abgrenzung der abhängigen Beschäftigung von der selbständigen Tätigkeit ist von Ersterer auszugehen, wenn die Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis unter einer Weisungsgebundenheit verrichtet wird und eine Eingliederung in einen fremden Betrieb vorliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Ist ein in einer Krankengymnastik-Praxis tätiger Physiotherapeut keinem Weisungsrecht des Praxisinhabers ausgesetzt, kann er selbst entscheiden, ob, wann und welche Patienten er behandelt, bestimmt er allein Arbeitszeit und Urlaub, ist er in die betriebliche Organisation des Praxisinhabers nicht eingegliedert, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und auf Urlaubsgeld und erfolgt die Vergütung nach einem 60%-igen Anteil auf den erbrachten Umsatz, so ist von dem Bestehen einer selbständigen Tätigkeit auszugehen.
3. Dem widerspricht nicht, wenn der Physiotherapeut die Behandlung der Kassenpatienten mit den Krankenkassen nicht selbst abrechnen darf.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 05.03.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 10.07.2019 wird aufgehoben und festgestellt, dass die Beigeladene nicht in einem abhängigen, versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zu dem Kläger ab dem 01.01.2010 steht. Die Beklagte trägt die Kosten des Klageverfahrens. Der Streitwert wird endgültig festgesetzt auf 5.000 Euro.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a Vier-tes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) darüber, ob die Beigeladene in der Zeit ab 1. Janu-ar 2010 in der H.Praxis des Klägers in der Tätigkeit als Krankengymnas-tin/Physiotherapeutin abhängig beschäftigt ist und deshalb der Beitragspflicht zur Ren-tenversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeits-förderung, kurzum der Sozialversicherungspflicht, unterfällt.
Der Kläger und die Beigeladene sind von Beruf Physiotherapeuten. Der Kläger betreibt eine Physiotherapiepraxis gem. § 124 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) am Standort H./Westf. und verfügt über eine Krankenkassenzulassung als Heilmittelerbrin-ger. In der Praxis für Krankengymnastik, Massagen und sonstige Behandlungen sind nach seinen Angaben im Verhandlungstermin derzeit 25 versicherungspflichtige Be-schäftigte angestellt.
Die am 00.00.1964 geborene Beigeladene ist nach eigenen Angaben des Klägers die einzige in der Praxis in H. für ihn freiberuflich tätige Mitarbeiterin. Die Beigeladene hat neben der allgemeinen Ausbildung zur Krankengymnastin/Physiotherapeutin aufgrund vorheriger Tätigkeit u.a. in der Kinder-Spezialeinrichtung "I.- Q. -Haus" in N. Kenntnisse und Erfahrungen in der kindbezogenen Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage (Vojta und Bobath). Die Beigeladene und der Kläger haben am 22.12.2009 einen schriftlichen Vertrag über freie Mitarbeit u.a. mit folgende Regelungen abgeschlossen(Blatt 20- Bl.23 Gerichtsakte):
"§ 1 Tätigkeit Der Auftragnehmer, N.P., wird ab dem 01.01.2010 für den Auftraggeber alle Tätigkeiten als Auftragnehmer übernehmen, die mit den Betrieb einer physiotherapeutischen Praxis erfor-dern bzw. mit dieser in Verbindung stehen. Ergänzend wird im Einzelfall auf die jeweiligen Auftragsschreiben verwiesen. Der Auftragnehmer unterliegt bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen des Auftraggebers. Er ist in der Gestaltung seiner Tätigkeit frei. Auf besondere betriebliche Belange im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit ist jedoch Rücksicht zu nehmen. Der Auftragnehmer ist an keinerlei Vorgaben zum Arbeitsort oder Arbeitszeit gebunden. Projektbezogene Zeitvorgaben des Auftraggebers sind ebenso einzuhalten wie fachliche Vorgaben, soweit diese zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung erforderlich sind. Der Auftragnehmer ist ferner berechtigt, Aufträge des Auftragsgebers ohne Angaben von Gründen abzulehnen. Gegenüber den Angestellten des Auftragsgebers hat der Auftragnehmer keine Weisungsbefugnis.
§ 2 Leistungserbringung Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die Arbeitsleistung höchstpersönlich zu erbringen. Die Hinzuziehung eigener Mitarbeiter oder die Vergabe von Unteraufträgen bedarf der vorheri-gen Zustimmung des Auftraggebers. De[ Auftraggeber stellt, nach jeweiliger vorheriger Absprache, die entsprechenden betrieb-lichen Einrichtungen zur Verfügung. Darüber hinausgehend stehen dem Auftragnehmer alle zur Ausübung seiner Tätigkeiten erforderlichen Informationen, Hilfsmittel und Unterla-gen zur Verfügung. Beide Vertragsparteien verpflichten sich zur gegenseitigen Kenntnisgabe, sofern sich bei de/[ Vertragsdurchführung Abwicklungsschwierigkeiten oder a...