Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Vergütung für stationäre Behandlung. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Vorlage von Unterlagen an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Fristversäumnis. Ausschlussfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Verfristung nach § 7 Abs 2 S 3 PrüfvV (juris: PrüfvVbg) führt zu einem Anspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger auf Erstattung bereits geleisteter Vergütung.
2. Dieser Erstattungsanspruch ergibt sich aus dem Institut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs.
3. Auch ohne ausdrückliche Benennung handelt es sich bei der Frist in § 7 Abs 2 S 3 PrüfvV zur Vorlage von Unterlagen an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist.
4. § 17c Abs 2 KHG enthält eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Vereinbarung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist in § 7 Abs 2 S 3 PrüfvV.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.163,93 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.10.2016 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Vorliegend begehrt die Klägerin von der Beklagten die Erstattung der von ihr gezahlten Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung, die in der K...., deren Trägerin die Beklagte ist, durchgeführt wurde.
Der im Oktober ... geborene, bei der Klägerin krankenversicherte ... (S) wurde wegen Multipler Sklerose vom 03. bis 23.07.2016 in der K..., einem Plankrankenhaus, stationär behandelt.
Für diese Krankenhausbehandlung stellte die Beklagte der Klägerin mit Rechnung vom 29.07.2016 einen Betrag i.H.v. 4.163,93 € (ohne Eigenbeteiligung des Patienten) in Rechnung, der von der Klägerin zunächst auch in vollem Umfang gezahlt wurde.
Die Klägerin zeigte der Beklagten mit Schreiben vom 02.08.2016 an, dass sie die Notwendigkeit der stationären Aufnahme durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung überprüfen lasse.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) teilte der Beklagten mit Schreiben vom 04.08.2016 mit, dass er mit einer gutachterlichen Stellungnahme beauftragt worden sei und bat die Beklagte um Vorlage von im Einzelnen gekennzeichneten Unterlagen bis zum 07.09.2016.
Mit Schreiben vom 09.09.2016 teilte Dr. B... vom MDK der Klägerin mit, das Krankenhaus habe innerhalb der 4-Wochen-Frist keine Unterlagen an ihn übermittelt. Der Prüfauftrag habe deshalb nicht bearbeitet werden können und sei seinerseits abgeschlossen (Ausschlussfrist).
Hierauf forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 13.09.2016 unter Fristsetzung bis 04.10.2016 zur Rückzahlung von 4.163,93 € auf. Eine Zahlung durch die Beklagte erfolgte jedoch nicht.
Daraufhin hat die Klägerin am 25.08.2017 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zur Zahlung von 4.163,93 € zu verurteilen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgebracht, nach § 7 Abs. 2 Satz 3 der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) sei das Krankenhaus verpflichtet, dem MDK innerhalb von 4 Wochen seit Zugang der Unterlagenanforderung die benötigten Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Geschehe dies nicht, so habe das Krankenhaus nur noch Anspruch auf den unstreitigen Teil des Rechnungsbetrages. § 7 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 PrüfvV würden ein Zusammenspiel darstellen dergestalt, dass ein Fristversäumnis unmittelbar zu einer Sanktion, also zu einem Anspruchsverlust in Höhe des streitigen Rechnungsbetrages führe. Hätte die Fristversäumung keine Auswirkungen, so würde die einvernehmlich zwischen Krankenkassen und Krankenhausträgern vereinbarte PrüfvV umgangen bzw. ausgehebelt. Die in § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV gesetzte Frist sowie die darauf beruhende Sanktion wären völlig grund- und wertlos, falls sich die Krankenkasse im Gerichtsverfahren nicht darauf berufen könne. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, die PrüfvV sei als untergesetzliche Norm nicht geeignet, einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses einzuschränken, verfange diese Argumentation nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien materiell-rechtliche Ausschlussfristen zulasten der Versichertengemeinschaft unzulässig. Vorliegend gehe es jedoch um eine Ausschlussfrist zu Gunsten der Versichertengemeinschaft und gerade zur Durchsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass die Krankenkassen im Falle eines Fristversäumnisses nach § 275 Abs. 1c Satz 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) faktisch sehr wohl einem Einwendungsausschluss unterliegen würden. Es wäre widersinnig, dem Krankenhaus im Gegensatz dazu die Möglichkeit einer Überprüfung anhand der vollständigen Patientendokumentation zuzubilligen, obwohl für diesen Fall sogar vereinbart worden sei, dass das Krankenhaus nur einen Anspruch auf den unstrittigen Betrag habe und mithin eindeutig mit Einwendungen bezüglich des strittigen Betrages ausgeschl...