Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe in anderen Lebenslagen. Übernahme von Bestattungskosten. Verweisung auf Ausgleichsansprüche gegen ein bestattungspflichtiges Familienmitglied

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Ausgleichsanspruch gegen einen Dritten nicht mit ziemlicher Sicherheit auszuschließen und besteht insbesondere der Eindruck, dass sich ein wirtschaftlich durchaus leistungsfähiges Familienmitglied vor der finanziellen Verantwortung drücken möchte, bedarf die Übernahme von Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger einer Einzelfallprüfung. Diese darf nicht schon mit einer lapidaren (auch schriftlichen) Weigerung eines Familienmitglieds zur Kostenübernahme als im Sinne des bedürftigen Antragstellers abgeschlossen betrachtet werden.

2. Auch bei einer echten Verweigerungshaltung ist es nicht Aufgabe des Sozialhilfeträgers, bei innerfamiliären Zerwürfnissen und dergleichen, wie sie nicht selten nach Todesfällen auftreten, regelmäßig als "Ausfallbürge" zur Verfügung zu stehen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Bestattungskosten.

Die im Jahr ... geborene Mutter der Klägerin verstarb am ... Erben wurden die Brüder der Klägerin ... (MM) und ... Die Schwester … (KK), die Klägerin und deren Kinder schlugen das Erbe aus. Am 13.04.2011 kam es zwischen der Klägerin und dem Beklagten sowie dem Beklagten und dem Bestattungsunternehmen wegen der anfallenden Kosten zu telefonischen Kontakten. Schließlich erteilte die Klägerin zusammen mit MM dem Bestattungsunternehmen den Auftrag zur Bestattung. Von den entstandenen Kosten zahlte MM einen Teilbetrag in Höhe von € 473,42. Die Klägerin sieht sich aktuell noch mit Restkosten des Bestattungsunternehmens und Gebührenforderungen der Gemeinde in Höhe von insgesamt € 2.009,61 konfrontiert. Die Klägerin bezieht Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende.

Noch im April 2011 beantragten u.a. die Klägerin und MM jeweils getrennt beim Beklagten die Übernahme der Bestattungskosten. MM gab dabei an, nur eine geringe Erwerbsminderungsrente zu beziehen. Mit seiner Ehefrau habe er Gütertrennung vereinbart, ihr Vermögen dürfe nicht berücksichtigt werden - entsprechend machte er hierzu keine Angaben. Zu Abhebungen vom Konto seiner Mutter im Umfang von ca. € 60.000,00 nach dem Jahr 2000 gab er an, nur Bote gewesen zu sein und über die weitere Verwendung nichts zu wissen.

Mit Bescheid vom 18.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.01.2012 lehnte der Beklagte gegenüber MM die Kostenübernahme ab. Nach Auskunft des Betreuers sei zum Todeszeitpunkt ein Nachlass in Höhe von € 1.188,90 vorhanden gewesen. Bei insgesamt anerkennungsfähigen Bestattungskosten in Höhe von € 2.078,03 sei zunächst der Nachlass einzusetzen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von MM hätten nicht abschließend geprüft werden können, da keine Angaben zur Ehefrau gemacht worden seien. Die sozialhilferechtlichen Regelungen schrieben unabhängig vom Güterstand die Prüfung der Verhältnisse beider Ehegatten vor. Das Vorbringen zu den Abhebungen vom Konto der Mutter wertete der Beklagte als Schutzbehauptung. Diese Entscheidung wurde bestandskräftig.

Mit Bescheid vom 27.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2012 lehnte der Beklagte auch gegenüber der Klägerin die Übernahme der Bestattungskosten ab. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin sei nicht Verpflichtete und habe ggf. einen Ausgleichsanspruch gegen die Erben. Es sei nicht nachgewiesen, dass eine Bezahlung der Kosten von den Erben nicht erlangt werden könne. Der Klägerin sei auch ein gerichtliches Vorgehen gegen MM zumutbar, zumal dieser die Bestattung mit in Auftrag gegeben habe und ihm gegenüber die Kostenübernahme bereits bestandskräftig abgelehnt worden sei.

Deswegen hat die Klägerin am 25.05.2012 beim Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben. Die Vermögensverhältnisse von MM kenne sie nicht. Die Durchführung eines Klageverfahrens gegen ihren Bruder mit ungewissem Ausgang sei ihr nicht zuzumuten. Auf die Inanspruchnahme Dritter dürfe nur verwiesen werden, wenn diese einen sicheren Erfolg biete.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 27.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.05.2012 zu verurteilen, Bestattungskosten in Höhe von € 2.009,61 zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält an der getroffenen Entscheidung fest und ergänzt, nach der Argumentation der Klägerin bestünde die Möglichkeit, immer auf die wirtschaftlich schwächste Person einer Familie abzustellen.

Mit Beschluss vom 27.08.2012 bewilligte der 7. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg der Klägerin unter Aufhebung der zuvor ablehnenden Entscheidung des Sozialgerichts Prozesskostenhilfe. Zur Begründung führte der Senat u.a. aus, die Klägerin sei bestattungsrechtlich Verpflichtete gewesen. Ob ihr tatsächlich werthaltige Ansprüche gegen die Erben zustünden, sei nicht ...

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