Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht bzw -freiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Betreuungskraft. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung
Leitsatz (amtlich)
1. Nach der Art der Tätigkeit einer Betreuungskraft in einer "Betreuenden Grundschule" und einer Hausaufgabenhilfe ist grundsätzlich sowohl eine abhängige Beschäftigung als auch eine selbständige Tätigkeit vorstellbar. Den am 1.8.2014 vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur bekanntgemachten Hinweisen zur Einrichtung von Betreuungsangeboten an Grundschulen ist zwar - unabhängig von ihrer Rechtsqualität - zu entnehmen, dass das Ministerium eine abhängige Beschäftigung der Betreuungskräfte vorgibt. Die Hinweise können allenfalls im Verhältnis zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und dem kommunalen Träger wirken.
2. Hier: abhängige Beschäftigung, trotz inhaltlicher und methodischer Freiheit der Betreuungskraft.
3. In der Abwägung als neutral zu betrachten sind der vorgegebene Ort der Betreuung sowie die damit korrespondierende fehlende Betriebsstätte der Betreuungskraft (Beigeladene zu 1.), was sonst typischerweise bei einer selbständigen Tätigkeit erwartet wird.
4. Die "Betreuende Grundschule" und Hausaufgabenhilfe und damit die Beigeladene zu 1. ist in die Verwaltung der Grundschule eingegliedert gewesen und hat der auf den Schulleiter konkludent übertragenen Weisungsbefugnis unterlegen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Klägerin erstattet auch der Beigeladenen zu 1. ihre außergerichtlichen Kosten. Ansonsten tragen die Beigeladenen ihre
Kosten selbst.
3. Der Streitwert wird endgültig auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beigeladene zu 1. in ihrer Tätigkeit als Betreuungskraft in der Betreuenden Grundschule und Hausaufgabenhilfe der „G-Schule“ (im Folgenden: GS), die im Gebiet der Klägerin liegt, zwischen dem 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2019 aufgrund einer abhängigen Beschäftigung versicherungspflichtig in der Rentenversicherung gewesen ist.
Die Klägerin ist Schulträger der Grundschule „G-Schule“ ohne Ganztagsschulbetrieb. Sie betreibt dort eine sogenannte „Betreuende Grundschule“ zur Ausdehnung der Betreuungszeiten der Grundschüler, vor allem für berufstätige Eltern. Vor dem Unterrichtsbeginn ab 7 Uhr und von 12.00 Uhr bis 13.30 Uhr fand in diesem Rahmen eine Betreuung angemeldeter Grundschüler statt. Es bestand zusätzlich von 13.30 Uhr bis maximal 16.00 Uhr die Möglichkeit im Rahmen der Hausaufgabenhilfe unter Aufsicht und ggf. notwendigen Unterstützung die Hausaufgaben zu erledigen. Sowohl Betreuung als auch Hausaufgabenhilfe fanden in einem mit Spiel- und Bastelutensilien ausgestattetem Raum im Keller der GS sowie ersteres auch auf dem Außenspielbereich der GS statt. Die Grundschüler erhielten keine Bewirtung. Spätestens am Ende der Betreuungszeit waren die Schüler von einer berechtigten Person abzuholen, sofern die Schüler nicht auch zur Hausaufgabenhilfe blieben. In diesem Fall konnten sie nach Erledigung der Hausaufgaben nach Hause gehen. Die Anmeldung erfolgte separat in beiden Fällen über das Sekretariat der GS. Die Klägerin erhob Kosten von pauschal 10,00 Euro jeweils für die Betreuung und Hausaufgabenhilfe. Die Betreuung fand in den Schulferien und an beweglichen Ferientagen nicht statt. Die Hausaufgabenhilfe fand an allen Schultagen außer am letzten Schultag vor einem Ferienabschnitt statt. Auf der Internetseite der GS war die Beigeladene zu 1. unter der Rubrik „Konzept Betreuende Grundschule“ namentlich erwähnt.
Die 1958 geborene Beigeladene zu 1. war vom 1. Januar 1998 bis zum 30. Juni 2019 in der Betreuenden Grundschule und der Hausaufgabenhilfe ohne schriftlichen Vertrag tätig. Die Hausaufgabenhilfe wurde von der Beigeladenen zu 1. seit dem 1. September 2013 durchgeführt, für die Betreuung stellte die Klägerin zwischenzeitlich (nach den Angaben der Beigeladenen zu 1. im Jahr 2013) eine zweite Betreuungskraft ein. Mit Schreiben vom 14. Januar 2004 teilte die Klägerin der Beigeladenen zu 1. mit, dass sie zum 1. Februar 2004 als Honorarkraft ausgewählt worden sei, das Honorar monatlich nach Vorlage eines Leistungsnachweises ausbezahlt werde und sie dieses bei der Einkommensteuererklärung anzugeben habe (vgl. das in der Akte vorliegende Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz - im Folgenden: LAG - vom 2. März 2011 - 8 Sa 144/20 -, zur Vereinfachung zitiert nach juris Rn. 4 f.). Mit Schreiben vom 15. Oktober 2013 teilte die Klägerin der Beigeladenen zu 1. mit den gleichen Hinweisen mit, dass sie zum 1. September 2013 als Honorarkraft für die Hausaufgabenbetreuung ausgewählt worden sei (LAG, aaO, Rn. 8 f.). Für Mitteilungen der Verwaltung, der Lehrer oder des Schulleiters verfügte sie (bis ins Schuljahr 2018/2019 hinein) über ein Fach im Lehrerzimmer. Ihr wurden die tatsächlich geleisteten Stunden vergütet. Hierfür reichte die Beigeladene zu 1. bei der Klägerin monatlic...