Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Aufsichtsbehörde. Genehmigung. Satzung. Ermäßigung. Erstattungssatz für Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen im Krankheitsfall
Orientierungssatz
1. Eine Aufsichtsbehörde hat bei der Genehmigung einer Satzung keinen Ermessensspielraum, sie darf lediglich eine Rechtsprüfung vornehmen (vgl BSG vom 26.2.1992 - 1 RR 8/91 = BSGE 70, 149 = SozR 3-2500 § 240 Nr 8). Geht es um ein gänzlich neues Gesetz, das zudem erstmals Sachverhalte erfasst, die bis dahin nicht geregelt waren, bedarf ein aufsichtsrechtliches Einschreiten einer besonderen Rechtfertigung.
2. Eine Satzungsbestimmung, die auch eine Ermäßigung des Erstattungssatzes für Arbeitgeberaufwendungen im Krankheitsfall auf 10 vH vorsieht, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob die Beklagte zu verpflichten ist, den vom Verwaltungsrat Krankenkasse der Klägerin am 01./02.12.2005 beschlossenen 10. Nachtrag zur Satzung vom 01.01.2004 auch hinsichtlich der von der Klägerin so bezeichneten ermäßigten Umlage im U1-Verfahren zu genehmigen.
Die Klägerin mit ihrem Geschäftssitz in Schwäbisch Gmünd ist als bundesweit tätige gesetzliche Krankenkasse eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Beklagte hat gemäß §§ 87 ff. Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die Aufsicht über die Klägerin.
Beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) war unter dem Aktenzeichen 1 BvR 302/96 eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesarbeitsgericht (BAG) vom 01.11.1995 (5 AZR 273/94) anhängig, die die Verfassungsmäßigkeit des vom Arbeitgeber zu zahlenden Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach § 14 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) betraf. Parallel zur Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung waren die Regelungen zum Erstattungsanspruch des Arbeitgebers bei Entgeltfortzahlung und bei Mutterschaft sowie die Regelungen über die dazu insoweit anfallenden Arbeitgeberbeiträge (§§ 10, 14 Lohnfortzahlungsgesetz ≪LFZG≫ i. V. mit § 14 Abs. 1 MuSchG) in die Betrachtung mit einbezogen. Das BVerfG prüfte in diesem Verfahren das Ausgleichs- und Umlageverfahren bei Mutterschaft (U2-Verfahren oder U2-Umlage) und betrachtete zugleich auch das Ausgleichs- und Umlageverfahren bei Entgeltfortzahlung (U1-Verfahren oder U1-Umlage).
In seiner Entscheidung vom 18.11.2003 (1 BvR 302/96, BVerfGE 109, 64 ff.) zu § 14 MuSchG nahm das BVerfG vor allem Anstoß daran, dass das Ausgleichs- und Umlageverfahren auf Kleinunternehmen beschränkt war. In der Entscheidung wird ua. auch ausgeführt, das U1-Verfahren diene allein dazu, die finanzielle Belastung des individuell betroffenen Arbeitgebers auszugleichen, der neben dem zeitweiligen Ausfall der Arbeitskraft auch noch die Entgeltfortzahlung leisten müsse und daher häufig gehindert sein werde, eine Ersatzkraft einzustellen. Solche Schwierigkeiten nähmen mit hoher Beschäftigtenzahl und wachsender Lohnsumme in den Unternehmen ab. Im Allgemeinen seien die krankheitsbedingten Kosten der Entgeltfortzahlung nicht an bestimmten Merkmalen der Arbeitnehmer festzumachen.
Am 18.11.2003 erging durch das BVerfG folgende Entscheidung:
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2. |
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Dem Gesetzgeber wird aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2005 eine verfassungsmäßige Regelung zu treffen. |
In Umsetzung dieser Entscheidung wurde am 22.12.2005 (BGBl. I S. 3686) das Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz, AAG) und zur Änderung weiterer Gesetze verabschiedet. Dieses Gesetz, das zum 01.01.2006 in Kraft getreten ist und zugleich das LFZG mit Wirkung ab 01.01.2006 aufgehoben hat (vgl. Art. 4 zum AAG), weitet die Umlagemöglichkeiten aus. Das U1-Verfahren wird neu geregelt. Es werden alle Krankenkassen, also auch die Ersatz- und Betriebskrankenkassen an dem Erstattungsverfahren U1 für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall beteiligt, ferner werden alle Arbeitnehmer, also auch die Angestellten der in § 1 AAG genannten Arbeitgeber einbezogen.
Nach § 1 Abs. 1 AAG erstatten die Krankenkassen ... den Arbeitgebern, die in der Regel ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten nicht mehr als 30 Arbeitnehmer beschäftigen, 80 Prozent (v. H.) des im Krankheitsfall gem. §§ 3 und 9 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) fortgezahlten Arbeitsentgelts und der auf die Arbeitsentgelte entfallenden von den Arbeitgebern zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge. § 7 AAG enthält Regelungen über die Aufbringung der Mittel zur Durchführung der U1- und U2-Verfahren; diese Mittel werden unter angemessener Berücksichtigung von Verwaltungskosten von den am Ausgleich beteiligten Arbeitgebern aufgebracht.
Nach § 9 Abs. 1 AAG muss die Satzu...