Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 10 Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 1004 BGB
Kommentar
Haben zustimmungspflichtige (nachteilig betroffene) Eigentümer (hier: alle seinerzeitigen Miteigentümer) einem Eigentümer eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums auch formlos - ohne Beschluss - gestattet (hier: nachträglich angebaute Stahlwendeltreppe vom Balkon einer Wohnung in den sondergenutzten Garten), so kann ein späterer Sondernachfolger nicht Beseitigung dieser baulichen Veränderungsmaßnahme fordern (Anschluss an KG Berlin, OLGZ 1989, 305 und OLG Hamm, MittRhNotK 1990, 131).
Dem Nachfolgekäufer war beim Kauf die Treppe bekannt; aus seiner Sicht stellte sich die gebilligte und tatsächlich geschaffene Veränderung des ursprünglichen Zustands praktisch wie ein plangemäßer Ausbauzustand dar und nicht wie eine nachträgliche bauliche Veränderung. Dem Kaufinteressenten hätte es freigestanden, sich angesichts des gegebenen Ausbauzustands der Gesamtanlage für oder gegen den Kauf der Wohnung zu entscheiden.
Im vorliegenden Fall lag keine rechtswidrige Störung als Voraussetzung eines Beseitigungsanspruchs nach § 1004 BGB vor. Die seinerzeitigen Eigentümer hatten der Maßnahme als nachteilig Betroffene im Sinne der Rechtsprechung des BGH (NJW 1979, 817) zugestimmt; eine solche Zustimmung habe keiner Form bedurft, insbesondere keines förmlichen Beschlusses (Augustin, § 22, Rn. 10). Die erklärte Zustimmung der damaligen Eigentümer führte damals zur rechtmäßigen Änderung, die in der Folgezeit nicht rechswidrig geworden sein könne. Der Rechtsgedanke des § 10 Abs. 3 WEG müsse hier (mangels Vorliegen eines Genehmigungsbeschlusses) sinngemäß angewandt werden. Auf Grundsätze von Treu und Glauben müsse deshalb nicht einmal mehr abgestellt werden.
Link zur Entscheidung
( OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.1991, 15 W 41/90)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung
Anmerkung:
Diese zutreffend begründete Entscheidung liegt auch auf der Linie der Entscheidung des BayObLG ( BayObLG, Entscheidung vom 19. 7. 1990, Az.: 2 Z 61/90), in der zum Ausdruck gebracht wurde, dass einmal eingetretene Verwirkung von Nutzungsunterlassungsansprüchen (ebenfalls gem. § 1004 BGB) auch für und gegen Rechtsnachfolger von Wohnungseigentum anderer Miteigentümer wirke. Im hier entschiedenen Fall des OLG Hamm wäre es auch unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben rechtsmissbräuchlich, wenn Rechtsnachfolger gestattete bzw. genehmigte Änderungen und Investitionen wieder zunichte machen könnten. Jedes andere Ergebnis bei heute häufiger Rechtsnachfolge gerade in größeren Wohnanlagen würde jegliche baulichen Veränderungen und entsprechendes Vertrauen auf den Bestand solcher durchgeführten Maßnahmen zunichte machen. Anzumerken ist allein, dass eigenmächtig vorgenommene bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum (also ohne Zustimmung der nachteilig betroffenen Miteigentümer) keinerlei Rechts- und Bestandsschutz gewähren dürften, abgesehen von der etwaigen Möglichkeit, im Ausnahmefall mit dem Rechtsinstitut einer Verwirkung zu argumentieren.