1 Leitsatz
Für die Wirksamkeit einer Kündigung wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens kommt es maßgeblich darauf an, ob der Kündigungstatbestand zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorgelegen hat. Durch ein nachträgliches Wohlverhalten wird die Wirksamkeit der Kündigung grundsätzlich nicht berührt. Nur in besonderen Einzelfällen kann das Festhalten am Räumungsanspruch rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Ursachen der Störung beseitigt wurden.
2 Normenkette
§§ 543, 546a, 573 BGB
3 Das Problem
Ein wichtiger Grund, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt liegt u.a. dann vor, wenn der Mieter den Hausfrieden nachhaltig stört (§ 569 Abs. 2 BGB).
4 Die Entscheidung
In dem vom AG München entschiedenen Fall kündigte der Vermieter das Mietverhältnis außerordentlich und fristlos wegen zahlreicher massiver Beleidigungen von Mitmietern, Besuchern und auch dem Vermieter. Unter anderem wurde die Zeugin N. als "Bitch mit blödem Sohn" bezeichnet und ihr "Was willst du, du blöde Schlampe?" nachgerufen; der Zeuge S. lautstark als "Arschloch" bezeichnet sowie die im Rollstuhl sitzende Zeugin R. als "behinderter Krüppel, Rollstuhlfahrerin, Bastard" beleidigt.
Die auf diese Vorfälle gestützte fristlose Kündigung der Vermieter war wirksam. Der Hausfrieden – so das AG München – ist Ausdruck der Notwendigkeit, dass die Nutzung von Wohn- und Geschäftsräumen durch mehrere Personen ein gewisses Maß an Rücksichtnahme voraussetzt. Der Mieter und die ihm zuzurechnenden Personen müssen sich bei der Nutzung der Mieträume so verhalten, dass die anderen Nutzer nicht mehr als unvermeidlich gestört werden. Gegen diese Grundsätze wurde von den Mietern sowie von ihnen zuzurechnenden Personen in grober Art und Weise verstoßen.
Dabei kommt es für die Wirksamkeit der Kündigung maßgeblich darauf an, ob der Kündigungstatbestand zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorgelegen hat. Durch ein nachträgliches Wohlverhalten (z. B. Unterlassen weiterer Beleidigungen) wird die Wirksamkeit der Kündigung nicht berührt. Nur in besonders gelagerten Einzelfällen kann das Festhalten am Räumungsanspruch ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich sein, wenn die Ursachen der Störung beseitigt wurden. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dem Vermieter steht daher aufgrund der wirksamen Kündigung ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung zu.
5 Entscheidung
AG München, Urteil v. 19.5.2022, 419 C 15714/21