Entscheidungsstichwort (Thema)

Turboprämie. Abfindung bei Nichterhebung einer Kündigungsschutzklage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Parteien eines Tarifvertrags können im Interesse des Arbeitgebers an alsbaldiger Planungssicherheit und an der Vermeidung von Risiken bei der Durchführung einer Betriebsänderung Leistungen nur für den Fall vorsehen, dass der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage keinen Gebrauch macht. Eine solche Regelung hat der Gesetzgeber durch die Einführung von § 1a KSchG ausdrücklich als rechtmäßig anerkannt. Sie stellt weder einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch eine Maßregelung des klagenden Arbeitnehmers dar (Fortführung von BAG, Urteil v. 31.05.2005 – 1 AZR 254/04).

2. Der Arbeitnehmer muss jedoch ein echtes Wahlrecht zwischen Erhebung der Kündigungsschutzklage ohne Erhalt einer Abfindungszahlung und Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage mit Abfindungszahlung haben. Der Arbeitgeber muss deshalb den Arbeitnehmer hierauf vor oder bei der Kündigung ausdrücklich hinweisen (Anschluss an BAG, Urteil v. 23.02.2005 – 4 AZR 139/04).

 

Normenkette

KSchG § 1a; BGB § 612a

 

Verfahrensgang

ArbG Gera (Urteil vom 30.11.2004; Aktenzeichen 1 Ca 0655/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.12.2006; Aktenzeichen 4 AZR 798/05)

 

Tenor

1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 30.11.2004 – 1 Ca 655/04 – wird kostenpflichtig als unbegründet zurückgewiesen.

2) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Zahlung einer Abfindung nach einem Sozialplan-Tarifvertrag.

Die Klägerin war seit dem 01.11.1990 bei der beklagten Körperschaft des öffentlichen Rechts beschäftigt, und zwar vorwiegend im Außendienst als Privatkundenbearbeiterin, ab 01.06.2000 aber im Innendienst als Sachbearbeiterin allgemeine Leistungen bzw. Sachbearbeiterin Zahnersatz.

Neben ihren eigentlichen Aufgaben übernahm die Beklagte ab 1998 nach erheblichem Rückgang der Versichertenzahl zur Beschäftigungssicherung in Thüringen zusätzlich für andere A's die Durchführung von Aufgaben im Bereich der Rechnungsprüfung und Beleglesung auf vertraglicher Grundlage gegen Vergütung. Das Volumen dieser Aufgaben war zuletzt auf 256 Beschäftigte entsprechend 238,3 Vollbeschäftigteneinheiten angewachsen. Da die Erledigung dieser Aufgaben nicht mehr kostendeckend war, beschloss die Beklagte nach Beteiligung des Personalrats am 13.11.2003, die Geschäftsfelder der Rechnungslegung aufzugeben, keine neuen Dienstleistungsaufträge von anderen A's mehr anzunehmen und die bestehenden Dienstleistungsverträge zum 31.12.2003, spätestens zum 31.03.2004, zu beenden.

Aufgrund dieser Entscheidung entfiel also ein Beschäftigungsbedarf für 238,3 Vollbeschäftigungseinheiten; dieser sollte durch betriebsbedingte Kündigungen abgebaut werden.

Der Klägerin bot man eine höherwertige Beschäftigung an dem Arbeitsort S. an, was diese aber wegen der weiten Entfernung von ihrem Wohnort ablehnte. Da anderweitige freie Positionen zu ihrer Weiterbeschäftigung nicht vorhanden waren, sprach die Beklagte mit Schreiben vom 01.04.2004 eine ordentliche Kündigung zum 31.12.2004 aus (vgl. Bl. 5 d. A.) und wies die Klägerin im Kündigungsschreiben ausdrücklich darauf hin, dass sie einen Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung nach dem zwischen der Beklagten und den Gewerkschaften ver.di und GdS geschlossenen Tarifvertrag nur dann habe, wenn sie die Klagefrist des § 4 KSchG verstreichen lasse, ohne eine gegen die Kündigung gerichtete Klage zu erheben.

Hinsichtlich eines Sozialplanes hatte die Beklagte am 22.01.2004 mit dem Personalrat eine Einigung erzielt. Zuvor hatte sie dem Personalrat zwei Vorschläge über eine Abfindungszahlung gemacht: nach dem ersten Vorschlag sollte für die Zahlung von Abfindungen an gekündigte Beschäftigte ein Gesamtvolumen von EUR 4 Mio. zur Verfügung gestellt werden. Nach dem zweiten Vorschlag sollte ein Gesamtvolumen von 4.500.000 EUR bereitgestellt und die Zahlung einer Abfindung allerdings grundsätzlich davon abhängig gemacht werden, dass der gekündigte Beschäftigte keine Kündigungsschutzklage erheben würde.

Der Personalrat entschied sich dann für die zweite Variante, die zum Inhalt einer Dienstvereinbarung vom 22.01.2004 gemacht wurde.

Nach Abschluss dieser Vereinbarung traten generelle Zweifel an ihrer Wirksamkeit auf. Denn gem. § 64 Abs. 2 Nr. 7 ThürPersVG hat der Personalrat, soweit eine gesetzlicher oder tarifliche Regelung nicht besteht, ggf. durch Abschluss von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen über die Aufstellung von Sozialplänen einschließlich Plänen für Umschulungen zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die dem Beschäftigten infolge von Rationalisierungsmaßnahmen entstehen. Die Beendigung aller Tätigkeiten der Beklagten im Bereich Rechnungsprüfung/Beleglesung für andere A's stellte aber nach Meinung der Beklagten wie auch des Personalrates keine Rationalisierungsmaßnahme, sondern nur die Aufgabe eines Gesc...

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