Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. "dieselbe Angelegenheit" im Sinne des Gebührenrechts. getrennte Klageverfahren
Orientierungssatz
1. Von derselben Angelegenheit wird regelmäßig dann ausgegangen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt.
2. "Dieselbe Angelegenheit" kann auch bei getrennten Klageverfahren vorliegen.
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 15. Juli 2015 aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für das Verfahren S 28 AS 3562/10 auf 531,91 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwalts-vergütung für zwei beim Sozialgericht Gotha anhängig gewesene Verfahren (S 28 AS 3562/10 und S 28 AS 1853/11) der von der Beschwerdegegnerin vertretenen Kläger:
|
- |
|
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die teilweise Leistungsaufhebung (Leistungen für die Klägerin und ihren Sohn Martin nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫ für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis 31. Mai 2008) und Rückforderung von 741,23 Euro im Bescheid vom 3. Juni 2008 zurück. Dagegen erhob die Klägerin am 4. Mai 2010 Klage (S 28 AS 3562/10). Am 9. August 2010 zeigte die Beschwerdegegnerin die Vertretung an. |
|
- |
|
Gegenstand des Hauptsacheverfahrens S 28 AS 1853/11 war der Bescheid vom 13. Dezember 2010, mit dem die Beklagte eine Überprüfung des Bescheids vom 3. Juni 2008 hinsichtlich der Klägerin und ihres Sohnes M., dem Kläger zu 2) abgelehnt hatte. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2011 wies die Beklagte den von der Beschwerdegegnerin erhobenen Widerspruch zurück. Am 18. März 2011 erhob sie für die Klägerin und den Kläger zu 2) dagegen Klage. |
Am 17. Juli 2012 verhandelte das Sozialgericht die Verfahren gemeinsam in einem Erörterungstermin von 11:55 bis 12:30 Uhr, gewährte dem Kläger zu 2) für das Verfahren S 28 AS 1853/11 ab 27. Juni 2012 und der Klägerin für das Verfahren S 28 AS 3562/10 ab 20. August 2010 Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete jeweils die Beschwerdegegnerin bei. Nach der Niederschrift schlossen die Beteiligten dann folgenden Vergleich:
“1. In dem Verfahren S 28 AS 3562/10 wird der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 3.6.2008 gegenüber der Klägerin in Höhe von 389,95 € aufgehoben.
2. In dem Verfahren S 28 AS 1853/11 wird der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 3.6.2008 gegenüber dem Kläger zu 2) in Höhe von 144,14 € aufgehoben.
3. Gegenüber Herrn M. H. wird der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 3.6.2008 in Höhe von 384,70 € aufgehoben.
4. Damit ergibt sich für die Klägerin in dem Verfahren S 28 AS 3562/10 ein verbleibender Erstattungsbetrag in Höhe von 130,72 €. Für den Kläger zu 2) in dem Verfahren S 28 AS 1853/11 ergibt sich ein verbleibender Erstattungsbetrag in Höhe von 76,42 € und für Herrn M. H. ergibt sich ein verbleibender Erstattungsbetrag in Höhe von 130,72 €.
5. Der Beklagte erstattet der Klägerin in dem Verfahren S 28 AS 3562/10 die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 3/4.
6. In dem Verfahren S 28 AS 1853/11 erstattet der Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) zu 2/3.
7. Die Beteiligten erklären die Rechtsstreite S 28 AS 3562/10 und S 28 AS 1853/11 für erledigt.„
In ihren Abrechnungen vom 19. Juli 2012 beantragte die Beschwerdegegnerin folgende Gebühren aus der Staatskasse:
|
S 28 AS 1853/11 |
|
|
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
|
170,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
|
200,00 Euro |
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG |
|
190,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
|
20,00 Euro |
Zwischensumme |
|
580,00 Euro |
Umsatzsteuer |
|
110,20 Euro |
Gesamtbetrag |
|
690,20 Euro |
|
|
|
S 28 AS 3562/10 |
|
|
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG |
|
250,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
|
200,00 Euro |
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG |
|
190,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
|
20,00 Euro |
Zwischensumme |
|
660,00 Euro |
Umsatzsteuer |
|
125,40 Euro |
Gesamtbetrag |
|
785,40 Euro |
Nach Einholung von Stellungnahmen der Beklagten setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) mit “Kostenfestsetzungsbeschlüssen„ (richtig: Vergütungsfeststellungsbeschlüssen) vom 30. Januar 2013 die Vergütungen wie folgt fest:
|
S 28 AS 1853/11 |
|
|
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
|
113,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
|
100,00 Euro |
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG |
|
95,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
|
20,00 Euro |
Umsatzsteuer |
|
62,32 Euro |
Gesamtbetrag |
|
390,32 Euro |
|
|
|
S 28 AS 3562/10 |
|
|
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG |
|
167,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
|
100,00 Euro |
Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG |
|
95,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
|
20,00 Euro |
Umsatzsteuer |
|
72,58 Euro |
Gesamtbetrag |
|
454,58 Euro |
Zur Begründung gab sie ...