Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Kostentragungspflicht eines Rechtsschutzversicherers bei vergleichsweiser Beendigung eines Rechtsstreits ihres Versicherungsnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 5 Abs. 3b) ARB 94 ist ein Rechtsschutzversicherer - trotz Deckungszusage - nur für die Kosten (der Rechtswahrnehmung seines Versicherungsnehmers) einstandspflichtig, wie sie im Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entstanden sind. Diese Frage ist im Deckungsprozess zu klären.

Dabei ist diese Vertragsklausel, soweit sie eine Einschränkung der umfassenden Deckungszusage rechtfertigen soll, unter Berücksichtigung des Interesses des Versicherungsnehmers an einen ihn befriedigenden Prozessausgang (des Vorprozesses) eng auszulegen.

2. Die Klausel schließt auch nicht die Möglichkeit einer vergleichsweisen Erledigung des (Vor)Prozesses aus.

Verzichtet der Versicherungsnehmer - im Vorprozess - auf einen höheren Anspruchsbetrag und übernimmt er bei einer vergleichsweisen Erledigung zudem einen unverhältnismäßigen Kostenbetrag, kommt es allein darauf an, ob er dies - in Würdigung des Gesamtergebnisses (des Vorprozesses) - zu Lasten der Rechtsschutzversicherung übernommen hat in der Annahme, diese (höheren) Kosten würden dann von der Rechtsschutzversicherung getragen werden.

3. Die Klausel hat den Zweck, Kostenzugeständnisse des Versicherungsnehmers zu verhindern, die bei einer gütlichen Erledigung nicht dem Erfolg des Versicherungsnehmers in der Hauptsache entsprechen. Danach muss ein Rechtsschutzversicherer dem Versicherungsnehmer - auch unter Berücksichtigung dessen Interesses an einem möglichst lückenlosen Rechtsschutz bei der Wahrnehmung seiner Interessen - nur diejenigen Kosten der Rechtsverfolgung ersetzen, die diesem im Fall einer Entscheidung durch Urteil gem. §§ 91 ff. ZPO vom Gericht auferlegt worden wären, wenn es ein Urteil mit demselben Inhalt wie im Vergleich erlassen hätte.

 

Normenkette

ARB 94 § 5 Abs. 3b)

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Urteil vom 16.01.2012; Aktenzeichen 8 O 735/11)

 

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Erfurt vom 16.1.2012 - 8 O 735/11 - durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 3.8.2012.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten - seiner Rechtsschutzversicherung - Erstattung restlicher außergerichtlicher Kosten (2.197,80 EUR) aus einem vorangegangenen Verfahren vor dem LG Erfurt gegen 2 Dritte, Herrn M. St. und Herrn D. Sch..

Der Kläger hatte - nach seinem Vortrag im Vorprozess (8 O 172/02) - Herrn Sch. einen Betrag von 220.000 DM zur (sicheren und profitablen) Verwaltung übergeben, um im späteren Bedarfsfall seine Rente aufzubessern. Nach Rückforderung eines Teils des überlassenen Betrags behauptete dieser Beklagte den Totalverlust des (überlassenen) Geldes. Streitig war, ob Sch. das Geld des Klägers mit Wissen und Billigung des Klägers in der Firma des (damaligen) Beklagten zu 1), Herrn St. investiert hatte, des weiteren, in welchem Umfang und ob in die Investition eigene (des Sch.) und weitere Fremdmittel (Dritter) eingeflossen waren, ferner, ob mit der Investitionsbeteiligung des Sch. eine Geschäftsbeteiligung am Geschäft des St. mit Übernahme unternehmerischen Risikos verbunden waren.

Im Ergebnis der Verhandlungen der Parteien im Vorprozess einigten sich der Kläger und Sch. auf eine Rückzahlung i.H.v. 10.000 EUR (vgl. Annahmeschreiben des PV des Sch., Bl. 13, 14 d.A.); im Gegenzug nahm der Kläger die Klage gegen Sch. zurück; dieser stimmte der Klagerücknahme (gegen ihn) zu.

Mit dem St. einigte sich der Kläger in einem durch das LG festgestellten "Monte Carlo"- Vergleich (vgl. Beschluss vom 15.6.2010, Anlage K 3, Bl. 8 ff. d.A.) auf Anerkennung der dortigen Klageforderung ( i.H.v. 112.484,21 EUR) nebst Zinsen, ferner auf Ratenzahlung von monatlich 500 EUR, beginnend ab Juni 2010, bis zu einer Summe von 20.000 EUR und bei (nach dem Vergleich) fristgemäßer Zahlung dieses Betrags auf Erlass des Restbetrages (mit einer entsprechenden Verfallklausel). Ferner einigten sich der Kläger und der (damalige) Beklagte zu 1) auf eine - wie im Tatbestand des hiesigen erstinstanzlichen Urteils mitgeteilte - Kostenteilung. Der (damalige) Beklagte zu 2) stellte keinen Kostenantrag, übernahm also seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Erkennbar war, wie dies auch aus dem Vergleichstext hervorgeht, dass der damalige Beklagte zu 1) (St.) nur Zahlung i.H.v. (höchstens) 20.000 EUR leisten wollte und diesen Betrag auch nur in monatlichen Raten (á 500 EUR) aufbringen konnte.

Die (hiesige) Beklagte hatte mit Schreiben vom 3.12.2001 im Rahmen der vereinbarten ARB für die (vorangegangene) Klage Rechtsschutz übernommen.

Im hiesigen Prozess wehrt sie sich gegen die jetzige Klage unter Hinweis auf § 5 Abs. 3b) der (streitgegenständlichen) ARB (94), wonach sie nur für die Kosten in dem Umfang einstandspflichtig sei,...

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