Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Haftung des Mittierhalters gegen den anderen Halter 23.9.2009 - 4 U 420/09

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch ein unselbständiger Streithelfer - hier der Haftpflichtversicherer - ist befugt, selbständig das Rechtsmittel der Berufung für die von ihm unterstützte Hauptpartei einzulegen, ohne dass es diesbezüglich einer ausdrücklichen Erklärung bedarf.

2. Die "Mithalterin" eines Hundes hat gegen den anderen Halter keinen Anspruch aus der Gefährdungshaftung aus § 833 BGB, weil dies dem Schutzzweck dieser Norm widerspräche.

Wird also ein Mithalter eines gemeinsam gehaltenen Tieres verletzt, so hat er keinen Schadensersatzanspruch hieraus gegen den anderen Halter.

 

Normenkette

BGB § 833

 

Verfahrensgang

LG Gera (Urteil vom 27.04.2009; Aktenzeichen 2 O 1760/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Streithelferin wird das Urteil des LG Gera vom 27.4.2009 - Az.: 2 O 1760/07 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) einschließlich der Kosten der Streithelferin trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte oder die Streithelferin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte - ihre 86 Jahre alte Mutter - wegen eines Hundebisses aus (streitiger) Tierhalterhaftung auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin und die Beklagte wohnen in einem Mehrfamilienhaus in Rudolstadt. Sie bewohnen dort zwar getrennte, eigenständige Wohnungen; nutzen aber den Garten des Hauses gemeinsam. In dem Garten wurde die Klägerin am Abend des 04.5.2007 von dem Schäferhundrüden "Moses" in die rechte Hand gebissen.

"Moses" wurde als Welpe im Jahr 1997 angeschafft, und zwar von der - in erster Instanz als Zeugin vernommenen - Tochter Miriam der Klägerin. Die Zeugin und ihre jüngere Schwester C. übernahmen im Wesentlichen die Versorgung und Erziehung des Hundes (Spaziergänge, Schulung auf dem Hundeplatz etc.), während die Großmutter - die Beklagte - für die Kosten des Tieres (Futter- und Tierarztkosten, Hundesteuer und Versicherung) aufkam. So blieb es, bis zunächst 1998 die "große" (Enkel-)Tochter M. und 6 Jahre später 2004 auch die "kleine" (Enkel-)Tochter C. zuhause auszog. Während die Beklagte weiterhin die Kosten trug und sich um die Fütterung des Hundes kümmerte, traute sie sich das Spazierengehen mit "Moses" wegen ihres (fortgeschrittenen) Alters nicht zu. Dies übernahmen - nicht im Haus wohnende - dritte Personen. Ansonsten blieb alles "beim Alten". Der Hund hielt sich tags und nachts im Garten auf, wobei er in der Regel - zumindest nachts - an die Kette gelegt wurde.

Zum Schadenshergang trägt die Klägerin wie folgt vor:

Sie habe sich am 04.5.2007 zufällig in der Nähe des - wie üblich im Garten angeketteten - Hundes befunden, als dieser sich in seiner Kette verfangen habe. Als die Klägerin festgestellt habe, dass "niemand sonst" dem jaulenden Hund zur Hilfe eile, habe sie "Moses" aus der Kette befreit. Dabei habe der "verängstigte und schmerzgepeinigte" Hund "völlig unvorgesehen" nach der rechten Hand der Klägerin geschnappt.

Wegen der durch den Hundebiss erlittenen Verletzungen (insbesondere einer dauerhaften (Teil-)Funktionsunfähigkeit des rechten Ringfingers infolge einer Entzündung der Bisswunde) fordert die als niedergelassene Zahnärztin tätige Beklagte Verdienstausfall für die Zeit vom 04.5. bis 30.9.2007. Weiter verlangt sie Schmerzensgeld, den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten und begehrt die Feststellung einer auf zukünftige Schäden bezogenen Ersatzpflicht der Beklagten.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme (Vernehmung der Zeugin M. D. und Parteivernehmung der Beklagten) weitgehend stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte hafte der Klägerin dem Grunde nach, da sie "wenigstens Mittierhalterin in Bezug auf den Hund Moses sei und die Klägerin weder Allein- noch Mittierhalterin". Die Zeugin M. D. habe beim Kauf das Eigentum des Hundes erworben. Dieses sei weder auf die Beklagte, noch auf die Klägerin übergegangen, als die Zeugin von zuhause ausgezogen sei. Im Ergebnis der Beweisaufnahme stünde aber fest, dass nur die Beklagte und nicht auch die Klägerin

(Mit)Tierhalterin des Hundes neben der Zeugin geworden sei. Hierfür sprächen die Kostenbelastung der Beklagten, deren Freude und Neigung an bzw. zu dem Tier und die Mitbestimmungsmacht über dieses. Hafte die Beklagte daher dem Grunde nach aus § 833 BGB, sei der Klägerin allerdings ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) anzulasten. Ohne eine tiefere Beziehung zu dem Hund gehabt zu haben, habe sie den Versuch unternommen, das verängstigte und vor Schmerzen jaulende Tier aus der...

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