Leitsatz (amtlich)
Die Geltendmachung eines Vertragsstrafeanspruches ist rechtsmissbräuchlich, wenn dem Gläubiger die für die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche erforderliche Sachbefugnis fehlte oder er sie nicht ausreichend dargelegt und bewiesen hat.
Macht ein Inhaber eines auch privaten Endverbrauchern jederzeit zugänglichen Onlineshops wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend, muss er konkret darlegen, dass er tatsächlich mit ausreichender Gewinnerzielungsabsicht handelnder Unternehmer bzw. Gewerbetreibender ist.
Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 20.09.2005; Aktenzeichen 1 HKO 177/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Gera vom 20.9.2005 - 1 HKO 177/04, abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Auch wegen der Klageerweiterung wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits insgesamt zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht Vertragsstrafeansprüche aus einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungserklärung geltend. Die Beklagte gab in einem Vorprozess (LG Gera, Az. 2 HKO 141/04) am 2.6.2004 ggü. dem Kläger eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wegen der Gestaltung ihrer Geschäftsbedingungen bei Verkäufen über das Internet ab. Nach Unterzeichnung hat sie - im Einzelnen streitig - ihre Internetpräsenz nicht geändert, so dass der Kläger Verletzungsfälle vom 7.6.2004 geltend macht und nunmehr die vereinbarte Vertragsstrafe verlangt. Die Beklagte hat rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers geltend gemacht, weil dieser kein Gewerbetreibender sei und deshalb nicht sachbefugt. Außerdem hat sie ihre Unterlassungserklärung wegen arglistiger Täuschung angefochten bzw. Aufhebung verlangt.
Das LG hat der Klage in einem durch Teilklagerücknahme reduzierten Umfange, nämlich bezogen auf drei Verletzungsfälle, stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag, insb. zur rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung der Vertragsstrafe. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers sei in vielfacher Weise mit Abmahntätigkeiten betraut, bei denen sich herausstelle, dass die Wettbewerbereigenschaft des Klägers nur vorgeschoben sei; ein Ermittlungsverfahren gegen den Prozessbevollmächtigten des Klägers wegen Betruges sei insoweit anhängig.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Klageerweiternd beantragt er, der Beklagten es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung anzudrohenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu untersagen, im geschäftliche Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes im Zusammenhang mit Lieferverträgen gegenüber privaten Letztverbrauchern Klausel zu verwenden oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klauseln zu berufen, durch die für individuelle Vereinbarungen der Parteien, die von den AGB des Beklagten abweichen, ein Schriftformererfordernis aufgestellt wird, insb. wie durch folgende Klausel geschehen:
"Abweichungen von diesen Geschäftsbedingungen, ergänzende Vereinbarungen und Nebenabreden erkennen wir nur an, wenn sie von uns schriftlich bestätigt worden sind."
die gesetzlichen Gewährleistungsrechte des Verbrauchers entgegen § 475 BGB durch das Erfordernis einer unverzüglichen Mängelrüge eingeschränkt werden, wie insb. durch folgende Klausel geschehen: "Offensichtliche Mängel sind sofort, spätestens jedoch innerhalb von 5 Tagen nach Erhalt der Ware schriftliche anzuzeigen, anderenfalls sind hierfür Mängelansprüche ausgeschlossen."
Die Beklagte beantragt insoweit, die Klage abzuweisen.
Die Akten des LG Gera, Az. 2 HKO 141/04, und der Staatsanwaltschaft Mannheim, Az. 26 Ds 614 Js 32414/04, waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg und führt zur Abweisung der Klage. Auch der klageerweiternd geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist unbegründet.
1. Zur Berufung
Dem Kläger steht der geltend gemachte Vertragsstrafeanspruch nicht zu. Zwar besteht in einem Unterlassungsvertrag grundsätzlich eine ausreichende, eigenständige Anspruchsgrundlage (Hefermehl/Köhler/Bornkamm § 12 UWG Rz. 1.113). Auch hat eine Kündigung des Unterlassungsvertrages vom 2.6.2004 (auch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 3 BGB) für die Entscheidung keine Bedeutung, da eine Kündigung jedenfalls frühestens am 17.6.2006 erklärt wurde, es aber in Hinblick auf das vertragliche Unterlassungsversprechen um Verletzungsfälle vom 7.6.2004 geht. Ob ein Anfechtungsrecht des Klägers besteht, was durchaus zweifelhaft ist, kann dahinstehen, weil die Geltendmachung des Vertragsstrafeanspruches zumindest rechtsmissbräuchlich und damit ausgeschlossen ist (§ 242 BGB).
Die Bindungswirkung des Unterlassungsvertragsstrafeversprechens entfällt, wenn dem Gläubiger der gesicherte Unterlassungsanspruch ...