Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterrecht
Verfahrensgang
VG Meiningen (Urteil vom 20.01.1994; Aktenzeichen 1 K 376/92) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 20. Januar 1994 – 1 K 376/92.Me – abgeändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am … geborene Kläger trat nach Ausbildung und Abitur in den Dienst der Volkspolizei. Am 1. Oktober … begann er ein juristisches Fernstudium an der Humboldt-Universität Berlin. Von … bis zum … war er Richter-Assistent. Am … wurde er zum Richter am Kreisgericht … gewählt. Sein juristisches Studium schloß er am … ab. Das Diplom wurde ihm … verliehen. Der Kläger bearbeitete zunächst Strafsachen, ab … auch Familien- und Zivilsachen. Im Mai … wurde der Kläger zum Stellvertreter des Direktors des Kreisgerichts … ernannt. Aufgrund eines disziplinarischen Verweises wurde er als stellvertretender Direktor abberufen und an das Kreisgericht … versetzt. Nach seiner Rückversetzung an das Kreisgericht … im Jahre … übernahm der Kläger wieder ein strafrechtliches Dezernat.
Der Kläger war von … bis zum … Mitglied der SED. Von … bis … war er Leitungsmitglied der SED-Grundorganisation (Justiz) und von … bis … Parteisekretär. … bis … war er Mitglied der „Agit.-Prop.”-Gruppe der SED-Kreisleitung. Als Parteisekretär war er Mitunterzeichner der „Eisenacher Initiative” vom 9. Mai 1986.
Mit Schreiben vom 28. November 1991 teilte der Thüringer Minister für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten den Mitgliedern des Richterwahlausschusses mit, daß er nach eingehender Prüfung beabsichtige, den Kläger nicht zum Richter auf Probe zu berufen. Der Kläger besitze nicht die persönlichen Voraussetzungen für das Richteramt. Zwar gebe es keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger für das MfS tätig gewesen sei. Nach Auskunft des Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes (Gauck-Behörde) hätten sich aus den überprüften Unterlagen keine Hinweise auf eine Zusammenarbeit des Klägers mit dem ehemaligen Staatssicherheitsdienst ergeben. Durchgreifende Zweifel an der persönlichen Eignung hätten sich jedoch aus seiner engen Einbindung in das frühere Rechts- und Gesellschaftssystem der DDR, aus den von ihm wahrgenommenen Funktionen in Partei, Gesellschaft und Justiz und seiner strafrichterlichen, Tätigkeit ergeben. Er sei durch eine über 16jährige Tätigkeit in der Justiz der früheren DDR geprägt. Während dieser Zeit habe er sich als linientreuer Richter erwiesen, der dem früheren System und der Partei – auch über das Jahr 1987 hinaus – treu und eng verbunden gewesen sei. Dieser Umstand sei geeignet, ihn als Repräsentant des alten Systems erscheinen zu lassen. Dieser Tatsache wiederum sei dem Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz des demokratischen Rechtsstaates abträglich. Man müsse davon ausgehen, daß der Kläger der Partei aus innerer Überzeugung angehört habe, sich mit den von ihr propagierten Zielen identifiziert habe und deren Vorgaben auch im beruflichen und gesellschaftlichen Leben umzusetzen bereit gewesen sei. Dies werde auch durch die von dem Kläger ausgeübten Funktionen belegt. Insoweit sei nur auf seine fünfjährige Tätigkeit als Parteisekretär der Grundorganisation sowie seine Zugehörigkeit zur „Agit.Prop.”-Gruppe der SED-Kreisleitung verwiesen. Der Kläger habe hierzu zwar ausgeführt, daß er das Amt des Parteisekretärs wegen der konfessionellen Bindung seiner Ehefrau und der christlichen Erziehung seiner Kinder nur ungern übernommen, und ohne innere Überzeugung ausgeübt habe. Einer solchen Selbsteinschätzung könne man sich nicht anschließen. Sie sei offensichtlich auch nicht von seinem früheren Dienstvorgesetzten geteilt worden. Dies werde beispielsweise durch die Beurteilung vom 25. September 1978 und die Beurteilung vom 10. Juni 1983 bestätigt.
Zwar habe der Kläger auf Vorhalt dieser Beurteilungen erklärt, daß es sich hierbei um die „üblichen Standardsätze” handele. Einer solchen Bewertung könne er sich aufgrund des ihm aus Anlaß der Richter- und Staatsanwaltsüberprüfung bekanntgewordenen Inhalte zahlreicher Beurteilungen und Leistungseinschätzungen nicht anschließen. Die auf den Kläger getroffenen Feststellungen zu seiner politischen Haltung gingen über das ansonsten anzutreffende Durchschnittsmaß hinaus. Es sei auch noch auf folgenden Umstand hinzuweisen: Dem Kläger sei es ermöglicht worden, bereits während seines Studiums am 1. Oktober 1972 seine Tätigkeit als Richter-Assistent beim Kreisgericht … aufzunehmen. Er sei...