Verfahrensgang
VG Meiningen (Urteil vom 20.01.1994; Aktenzeichen 1 K 58/92) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 20. Januar 1994 – 1 K 58/92.Me – abgeändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der am … geborene Kläger strebt seine Weiterverwendung als Richter im Justizdienst des Beklagten an.
Nach seiner Lehre arbeitete er zunächst in einer Maschinenfabrik und Eisengießerei in …, … als Maschinenschlosser. … nahm er an der Akademie für Staats und Rechtswissenschaften in Berlin/Babelsberg an einem Sonderlehrgang für Strafrichter teil und bestand … die Prüfung auf dem Gebiet des Straf und des Strafprozeßrechts als Teil der juristischen Hauptprüfung. Im Jahre … erwarb er die Hochschulreife. Nach seiner Wahl zum Richter am Kreisgericht … war er von … im Strafrecht und im Familienrecht tätig. Nachdem er … ein rechtswissenschaftliches Fernstudium an der Humboldt-Universität Berlin absolviert hatte, wechselte er als Richter an das Kreisgericht …, zu dessen stellvertretendem Direktor er am … ernannt wurde. In dieser Funktion arbeitete er als Familienrichter bis Mitte … … gehörte er außerdem dem Militärgericht … an.
Der Kläger nahm Funktionen in Massenorganisationen in der Zeit zwischen … und … als hauptamtlicher BGL-Vorsitzender im damaligen … und ab … als Angehöriger der Betriebskampfgruppe wahr. Von … bis … war er BGL-Vorsitzender und von … bis … Parteisekretär der Justizorgane …. Von … bis … war er BGL-Vorsitzender der Justizorgane … Von … bis … war er Mitglied der SED. Im Jahre … wurde ihm die Ehrennadel der Organe der Rechtspflege in Bronze verliehen.
Am 6. Februar 1991 bewarb er sich um Übernahme als Richter in den Dienst des Beklagten. Mit Schreiben vom 13. November 1991 schlug der Thüringer Minister für Justiz, Bundes und Europaangelegenheiten dem zuständigen Richterwahlausschuß … vor, den Kläger nicht als Richter auf Probe zu berufen. Dieses Votum wurde dem Kläger vor Einberufung des Richterwahlausschusses zugeleitet. Zur Begründung führte der Minister im wesentlichen aus, er halte den Kläger für ein solches Amt zwar für fachlich, jedoch nicht für persönlich geeignet. Trotz fehlender Anhaltspunkte für eine Tätigkeit für das MfS ergäben sich aus seiner Einbindung in das frühere Rechtssystem der DDR und seiner Rechtsprechungstätigkeit in Strafsachen durchgreifende Bedenken gegen seine persönliche Eignung. Er sei durch eine fast zwanzigjährige Tätigkeit in der Justiz der früheren DDR geprägt. Er habe sich während dieser Zeit als linientreuer Richter erwiesen, der insbesondere in Strafsachen mit politischem Hintergrund die Positionen von Staat und Partei offenbar kritiklos übernommen und in seiner Rechtsprechung auch umgesetzt habe. Unter seinem Vorsitz sei eine Reihe von Strafurteilen ergangen, in denen unangemessen hohe Freiheitsstrafen ausgesprochen worden seien und deren Begründung sich als willfährige Vollziehung der politischen Bewertungen und Vorgaben darstelle. In der Zentralen Beweismittel und Dokumentationsstelle der Landesjustizverwaltungen in Salzgitter sei er mit einem unter seinem Vorsitz geführten Strafverfahren, beim Gefangenenaktenarchiv Rummelsburg der Berliner Justizverwaltung mit zehn Eintragungen vermerkt. Von diesen Verfahren und den in den Urteilssammlungen der Kreisgerichte … und … vorgefundenen Urteilen habe der Beklagte acht ausgewählt, die rechtsstaatlichen Anforderungen nicht entsprachen, aber – was ihre rechtliche Bewertung angehe – in Übereinstimmung mit dem damals geltenden Recht ergangen seien. Diese Entscheidungen stellten sich auch im Vergleich zu Urteilen anderer Gerichte als überdurchschnittlich harte Sanktionen dar, wobei das Gericht fast ausnahmslos und unreflektiert den Anträgen der Staatsanwaltschaft gefolgt sei und die Strafzumessung durchweg auf die gleichen floskelhaften Begründungen gestützt habe. Der Kläger habe zwar erklärt, sich bei seiner Rechtsprechung zu § 213 StGB/DDR (Republikflucht) nie wohlgefühlt und sich bei einem Angeklagten wegen dessen am … erfolgter Verurteilung entschuldigt zu haben. Dem Beklagten dränge sich jedoch der Verdacht auf, als habe der Kläger durch seine harte und systemkonforme Gangart den ihm gegenüber früher geäußerten Vorbehalten gegen seine richterliche Tätigkeit begegnen wollen. Als Beleg für diese Ansicht führt der Beklagte „Einschätzungen” der früheren Vorgesetzten des Klägers an. Weil der Kläger über lange Jahre hinweg eine Reihe von parteipolitisch geprägten, beruflichen und gesellschaftlichen Aufgaben bereitwillig er...