Rz. 123
Der Arbeitnehmer muss gegen jede Kündigung des Arbeitgebers Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG erheben. Sobald der Arbeitnehmer die Frist zur Klageerhebung auch nur für eine einzelne Kündigung versäumt, droht nach § 7 KSchG die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Rz. 124
Häufig ist es daher für den gekündigten Arbeitnehmer sinnvoll, mit der Kündigungsschutzklage gegen eine konkrete Kündigung eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO zu verbinden (vgl. § 260 ZPO). Die allgemeine Feststellungsklage ist gerichtet auf die Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses. Die Rechtskraft eines positiven Feststellungsurteils erfasst daher alle nach dem Vortrag der Parteien in Betracht kommenden Beendigungsgründe. Der allgemeine Feststellungsantrag nach § 256 ZPO ist in Bezug auf einen Kündigungsschutzantrag nach § 4 Satz 1 KSchG regelmäßig ein unechter Hilfsantrag.
Rz. 125
Damit erlaubt eine zusätzliche allgemeine Feststellungsklage dem Arbeitnehmer, gegen weitere Kündigungen auch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in 1. Instanz Kündigungsschutzklage zu erheben (sog. "Schleppnetzantrag"). Hierfür reicht es jedoch nicht aus, dass der klagende Arbeitnehmer zugleich die Feststellung begehrt, "das Arbeitsverhältnis bestehe fort". Es ist daher anzuraten, den allgemeinen Feststellungsantrag nicht als Annex zum Klageantrag nach § 4 Satz 1 KSchG zu stellen, sondern als eigenständigen zusätzlichen Antrag. Stellt der klagende Arbeitnehmer zusätzlich einen allgemeinen Feststellungsantrag, muss er diesen Antrag spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in 1. Instanz auf einen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG umstellen. Diese Umstellung ist keine Klageänderung nach § 264 Nr. 2 ZPO. Eine Umstellung der allgemeinen Feststellungsklage in der Berufungsinstanz wäre nach der hier vertretenen Auffassung zu spät. Eine Zulassung in 2. Instanz würde insbesondere zu Wertungswidersprüchen in Bezug auf die von § 6 KSchG erfassten Fälle führen. Auch das BAG hat erneut bestätigt, dass die Frist des § 4 Satz 1 KSchG für eine erst nach deren Ablauf in den Prozess eingeführte Kündigung "jedenfalls" dann gewahrt ist, wenn sich der Arbeitnehmer auf die Unwirksamkeit der weiteren Kündigung noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung in 1. Instanz berufen und einen auf sie bezogenen, dem Wortlaut des § 4 Satz 1 KSchG angepassten Antrag gestellt hat. Damit relativiert das BAG seine Rechtsprechung, wonach sich der Arbeitnehmer, der neben einer Kündigungsschutzklage gegen eine konkrete Kündigung auch eine allgemeine Feststellungsklage erhoben hat, bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz auf die Unwirksamkeit weiterer Kündigungen berufen können soll.
Geht dem Arbeitnehmer eine weitere Kündigung im Laufe des Berufungsverfahrens zu, kann er einen allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz "punktuieren", d. h. auf einen Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG umstellen. Voraussetzung ist jedoch, dass die allgemeine Feststellungsklage Gegenstand des Berufungsverfahrens ist. Ein in erster Instanz erhobener allgemeiner Feststellungsantrag kann sich nicht auf Sachverhalte beziehen, die sich erst nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht zugetragen haben.
Rz. 126
Die allgemeine Feststellungsklage erfordert auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein besonderes Feststellungsinteresse. Der Arbeitnehmer muss daher in der Klagebegründung Tatsachen zur Möglichkeit weiterer Beendigungsgründe vortragen, wenn er neben der Kündigungsschutzklage eine allgemeine Feststellungsklage erhebt.
Rz. 127
Hat der Arbeitnehmer von vornherein statt der Kündigungsschutzklage nur eine allgemeine Feststellungsklage erhoben, kann der Arbeitnehmer ggf. auch diese allgemeine Feststellungsklage nach Ablauf der 3-Wochen-Frist wirksam auf eine Kündigungsschutzklage umstellen.