Prof. Dr. Christian Rumpf
Rz. 164
Die Gesellschafterversammlung (ortaklar kurulu) heißt seit der HGB-Reform wie bei der AG "genel kurul" (Generalversammlung). Damit soll wohl die Annäherung des GmbH-Rechts an das Aktienrecht dokumentiert werden. In Art. 616 ff. HGB stehen die Aufgaben und Verfahren der Generalversammlung, weitere Zuständigkeiten sind über die GmbH-Vorschriften des HGB verstreut.
Rz. 165
Die Generalversammlung fasst die Gesellschafterbeschlüsse. Sie ist dasjenige Organ, das die wesentlichen unternehmenspolitischen Entscheidungen des Unternehmens trifft. Die Generalversammlung kommt auf eine Ladung hin zusammen, die an alle Gesellschafter zu richten ist. Für Beschlüsse gilt die allgemeine Regel, dass die Kapitalmehrheit entscheidet. Ist in der Satzung nichts anderes bestimmt, kann auch der einzelne Gesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH Beschlüsse fassen, sofern er zumindest die Kapitalmehrheit vertritt und nicht gegen die Regeln von Treu und Glauben verstößt. Ein Verstoß gegen die Regeln von Treu und Glauben führt zur Anfechtbarkeit.
Rz. 166
Die Einberufung der Generalversammlung kommt in ordentlicher oder außerordentlicher Weise in Betracht. "Ordentlich" ist jedenfalls diejenige Generalversammlung, die im ersten Quartal des Geschäftsjahres abzuhalten ist (Art. 617 Abs. 1 HGB). Außerordentliche Generalversammlungen hingegen werden in den im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Fällen einberufen oder wenn es Belange der Gesellschaft erfordern und diese keinen Aufschub dulden. Außerdem ist es gem. Art. 633 HGB erforderlich, eine außerordentliche Generalversammlung einzuberufen, wenn das Gesellschaftskapital in Gefahr ist. In einer solchen Situation können Gesellschafter, die 10 % des Gesellschaftskapitals vertreten, die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung unter Offenlegung des Zwecks der Versammlung von der Geschäftsführung verlangen oder, wenn diese nicht zustimmt, gerichtlich erzwingen. Die Neuregelungen in Art. 617, 633 HGB verweisen insoweit nur noch auf das Aktienrecht. Die Minderheit braucht dieser Regelung zufolge die Ladung nicht gerichtlich zu erzwingen, sondern kann, wenn der Vorstand die Ladung nicht innerhalb von 45 Tagen ausspricht, selbst laden (Art. 617 i.V.m. Art. 411 Abs. 4 HGB). Die Satzung kann für die Ladungsbefugnis auch eine geringere Anzahl von Gesellschaftern vorsehen. An den Versammlungen teilnahmeberechtigt sind Geschäftsführer, Liquidatoren und Insolvenzverwalter, also Personen mit organschaftlichen Eigenschaften.
Rz. 167
Art. 617 Abs. 2 HGB geht von einer Ladungsfrist von 15 Tagen aus, die per Satzung auf zehn Tage herab- oder beliebig hochgesetzt werden kann. Im Übrigen sind auf die Ladung die Vorschriften über die AG anzuwenden (Art. 409 ff. HGB). Eine verschärfte Ladungsform, nämlich über den Notar, sieht Art. 411 Abs. 3 HGB vor, wenn die Minderheit von mindestens 10 % zur Generalversammlung lädt. Die Tagesordnung wird durch den Ladenden bestimmt (Art. 413 Abs. 1 HGB). Verweigert der Ladende der Minderheit die Aufnahme von Tagesordnungspunkten, kann die Minderheit das Gericht anrufen.
Rz. 168
In der Praxis erfolgt die Ladung in der Weise, dass die Generalversammlung im Handelsregisterblatt angekündigt wird und dann noch einmal den Gesellschaftern per eingeschriebenem Brief oder Kurier die Ladung zusammen mit dem betreffenden Auszug aus dem Handelsregisterblatt übermittelt wird. Diese Prozedur nimmt gut 40–45 Tage in Anspruch. In der Praxis erscheint diese Vorgehensweise umständlich, hat für das Tagesgeschäft einer mittelständischen GmbH aber wenig Bedeutung, da Gesellschafterbeschlüsse auch spontan bzw. im Umlaufverfahren gefasst werden können.