Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 19.12.2001; Aktenzeichen 1 BvR 814/01)

OVG der Freien Hansestadt Bremen (Beschluss vom 09.04.2001; Aktenzeichen 1 S 96/01)

 

Tenor

Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit des Rechtsanwalts Dr. G. wird auf Antrag der Staatskasse für die Zeit ab Beginn der mündlichen Verhandlung auf insgesamt DM 232.000,– für die 29 Klagverfahren festgesetzt.

 

Gründe

Der Beschluß beruht auf § 10 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 BRAGO. Im einzelnen gilt folgendes:

1. Die Kammer legt den unter dem 16.01.2001 gestellten Antrag der Staatskasse entsprechend dem erkennbaren Begehren und zulässigkeitskonform dahingehend aus, dass erstrebt wird, einen einheitlichen Gegenstandswert für a l l e vom selben Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung der 6. Kammer am 22.12.2000 vertretenen Klagverfahren – als Gebührenbemessungsgrundlage für die Verhandlungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) und die Vergleichsgebühr (§ 23 BRAGO) des Rechtsanwaltes festzusetzen. Für den so verstandenen Antrag ist die Landeskasse nach § 10 Abs. 2 S. 2 BRAGO antragsbefugt. Dafür genügt, dass – wie hier – nur in einem Teil der vom Rechtsanwalt vertretenen Klagverfahren Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist. Denn die Vorschrift macht nach ihrem Wortlaut die Antragsbefugnis der Staatskasse nur davon abhängig, dass überhaupt Interessen der Staatskasse von einer Entscheidung nach § 10 Abs. 1 BRAGO berührt sind „wenn Prozeßkostenhilfe bewilligt ist”). Das ist bereits dann der Fall, wenn auch nur in einem einzigen in die Entscheidung nach § 10 Abs. 1 BRAGO einzubeziehenden Verfahren Prozeßkostenhilfe bewilligt worden ist. Die Regelung über die Antragsbefugnis der Staatskasse in § 10 Abs. 2 S. 2 BRAGO ändert demgegenüber nichts daran, daß materiell nach § 10 Abs. 1 BRAGO nur eine einheitliche Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes für die (gesamte) anwaltliche Tätigkeit – ohne Differenzierung danach, ob die anwaltliche Tätigkeit auf Beiordnung des Rechtsanwaltes (vgl. § 121 Abs. 2 ZPO) im Rahmen der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe beruht oder nicht – in Betracht kommt.

2. Nach § 10 Abs. 1 BRAGO ist der Gegenstandswert auf Antrag gesondert festzusetzen, soweit sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit nicht nach dem für das Gerichtsverfahren maßgeblichen Streitwert richten.

Die Kammer hat durch Beschluß vom 22.12.2000 Einzelstreitwerte für die zu erhebenden Gerichtsgebühren festgesetzt (§ 25 Abs. 2 S. 2 GKG). Gerichtsgebühren sind nur bei Klageingang als Verfahrensgebühr nach Ziff. 2110 der Anl. I Teil 2 Nr. 1 GKG entstanden. Die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit ab Beginn der mündlichen Verhandlung können sich nicht entsprechend der Grundregel des § 9 Abs. 1 BRAGO nach den für die Gerichtsgebühren festgesetzten Einzelstreitwerten richten, weil bei jener Streitwertfestsetzung nicht berücksichtigt werden mußte, daß die Verfahren in der mündlichen Verhandlung faktisch verbunden worden sind, und sich ein abweichender Wert für die anwaltliche Tätigkeit auch daraus ergibt, daß der Rechtsanwalt nicht sämtliche Kläger und Klägerinnen der verhandelten Verfahren vertreten hat. Für die Ermittlung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts sind Werte der von ihm zu Beginn der mündlichen Verhandlung noch vertretenen Verfahren, die sich jeweils gem. § 13 Abs. 1 GKG auf 8.000,– DM belaufen, zusammenzurechnen. Dies folgt aus der BRAGO, wonach in derselben Angelegenheit die Werte mehrerer Gegenstände der anwaltlichen Tätigkeit zusammengerechnet werden (§ 7 Abs. 2 BRAGO) und der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit die Gebühren nur einmal erhält (§ 13 Abs. 2 S. 1 BRAGO), und zwar auch dann, wenn er für mehrere Auftraggeber tätig wird (§ 6 Abs. 1 BRAGO). Hiernach kommt es nämlich auf den zusammengerechneten Wert der vom Rechtsanwalt vertretenen Verfahren an, dessen Festsetzung die Streitwertbestimmungen des GKG nicht vorsehen.

3. Ob „dieselbe Angelegenheit” i.S.d. Vorschriften der BRAGO vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden. Es muß einerseits ein enger innerer Zusammenhang bei der anwaltlichen Tätigkeit bestehen; andererseits kann dieselbe Angelegenheit aber auch mehrere Auftraggeber und mehrere Gegenstände betreffen. Verfolgt ein Rechtsanwalt gleichartige Rechte für mehrere Auftraggeber, kommt es darauf an, inwieweit die Aufträge nach Inhalt und Zielrichtung übereinstimmen und ob von einem einheitlichen Rahmen der Tätigkeit gesprochen werden kann (zum Ganzen: BVerwG, Beschluß vom 25.09.2000 – 11 C 1/99 – = NJW 2000, 2289; OVG Bremen, Beschluß vom 28.09.2000 – 2 S 307/00 –; Gerold/Schmidt, BRAGO, 13. Auflage, § 13 Rdn. 5 jeweils m.w.N.). Außerdem ist zu berücksichtigen, ob es im Hinblick auf das der BRAGO zugrundeliegende Pauschalsystem gerechtfertigt erscheint, eng zusammengehörige anwaltliche Tätigkeiten zu einer Gebührenbemessungseinheit zusammenzufassen oder nicht (BVerwG, a.a.O.).

4. Gemessen an diesen Anforderungen stellt die anwaltliche Vertretung der 29 im Rubrum genannten Kl...

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