Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgloser Nachbarrechtsschutz gegen eine Baugenehmigung für einen nicht deckungsgleichen Anbau
Leitsatz (amtlich)
1. Durch die Neufassung des § 7 Abs. 1 Satz 3 LBO durch das Gesetz Nr. 1544 vom 18.02.2004 ist die Verpflichtung zum deckungsgleichen Anbau ein an eine vorhandene Grenzbebauung entfallen. Nach neuem Recht ist allein die überbaubare Grundstücksfläche nach dem Bauplanungsrecht Maßstab für die Größe des Anbaus.
2. Eine Verstoß gegen § 22 Abs. Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist nicht bereits dann zu bejahen, wenn das Vorhaben nicht deckungsgleich an das vorhandene Gebäude angebaut wird, sondern erst wenn das Bauvorhaben auf Grund seines Umfanges den Rahmen des Verträglichen überschreitet.
Normenkette
VwGO §§ 80a, 80 Abs. 5; BauGB § 34 Abs. 2, § 212a Abs. 1; BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2, § 22 Abs. Abs. 2 S. 1; LBO 1996 § 6 Abs. 1 S. 3; LBO § 7 Abs. 1 S. 3, § 8
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 3.750 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Wohnhauses mit Garage.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 03.04.2009 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 20.09.2007 anzuordnen, hat keinen Erfolg.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist zwar nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Hs. i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft, da Widerspruch und Anfechtungsklage bei Baugenehmigungen nach § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung haben, er könnte aber gleichwohl unzulässig sein.
Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrages bestehen auf Grund einer möglichen Verwirkung der Abwehrrechte der Antragsteller. Denn nach den vorliegenden Unterlagen ist in Betracht zu ziehen, dass die Antragsteller ihr Recht auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sowie ihre materiellen Abwehrrechte verwirkt haben.
Vgl. zur Verwirkung OVG des Saarlandes, Beschluss vom 27.06.1994 – 2 W 22/94 –.
So wird von den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen unter Vorlage einer entsprechenden Kopie vorgetragen, es sei den Antragstellern bereits mit Schreiben vom 21.09.2007 mitgeteilt worden, dass die Beigeladene beabsichtige auf ihrem Grundstück grenzständig zum Gebäude der Antragsteller ein Wohnhaus zu errichten, wobei darauf hingewiesen worden sei, dass die Bebauungstiefe des Vorhabens über die des bestehenden Gebäudes hinausgehe. Im Hinblick auf dieses Schreibens hätte es jedoch für die Antragsteller nahe gelegen, bei der Unteren Bauaufsichtsbehörde nachzufragen, ob für das Vorhaben der Beigeladenen eine Baugenehmigung erteilt worden ist. Bei einer solchen Nachfrage wäre ihnen die nunmehr angegriffene Baugenehmigung vom 20.09.2007 bekannt geworden und sie hätte diese innerhalb angemessener Frist anfechten können. Auf keinen Fall hätten die Antragsteller nach der Mitteilung der geplanten Baumaßnahme mehr als eineinhalb Jahre untätig bleiben dürfen und erst nach der Übersendung von Unterlagen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für die Unterfangung der Gebäudeabschlusswand mit der Unteren Bauaufsichtsbehörde in Kontakt treten dürfen, um dann im April 2009 Widerspruch gegen die am 20.09.2007 erteilte Baugenehmigung zu erheben. Da jedoch die Kenntnis des Schreibens vom 21.09.2007 von den Antragstellern bestritten wird und eine Aufklärung des Sachverhaltes insoweit für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht erforderlich ist, lässt das Gericht die Frage der Zulässigkeit dahinstehen. Denn der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Die im Rahmen dieses Verfahrens vorzunehmende summarische Überprüfung nach Maßgabe der §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO setzt für die begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs eine Verletzung der dem Schutz der Antragsteller dienenden Rechte mit “überwiegender Wahrscheinlichkeit” voraus, die bereits mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilrechtschutzverfahrens festgestellt werden kann. Dieser Maßstab ergibt sich aus der in § 212a Abs. 1 BauGB enthaltenen Entscheidung des Gesetzgebers, die aufschiebende Wirkung des Nachbarwiderspruches gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens grundsätzlich auszuschließen.
Vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 09.08.2001 – 2 V 4/01 – AS RP-SL 29, 182 = BRS 64 Nr. 191, vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 – und vom 15.01.2009 – 2 B 376/07 – m.w.N..
Der Erfolg einer baurechtlichen Nachbaranfechtung setzt voraus, dass die angefochtene Baugenehmigung nicht nur rechtswidrig ist, sondern darüber hinaus gerade den Nachbarn in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt. Ob die angefochtene Baugenehmigung insgesamt objektiv rechtmäßig ist, ist nicht maßgeblich. Vielmehr ist die Baugenehmigung allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn dien...