Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur hälftigen Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nummern 2300 bis 2303 auf die Verfahrensgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG in den Fällen des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO
Leitsatz (amtlich)
Die in einem Vorverfahren gemäß den §§ 68 ff. VwGO entstandene Geschäftsgebühr ist in den Fällen des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO vom Kostenbeamten des Gerichts nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG hälftig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
Normenkette
VwGO § 162 Abs. 2 S. 2; VV RVG Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1
Tenor
Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei;
Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anwendbarkeit der Anrechnungsvorschrift in der Vorbemerkung 3 Absatz 4 Satz 1 VV RVG, nach der eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303 VV RVG zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens nach Nummer 3100 VV RVG angerechnet wird.
I.
Der Kläger hatte mit der am 25.06.2007 erhobenen Klage im Wege der Untätigkeitsklage die Verpflichtung zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis begehrt. Den Antrag lehnte die seinerzeit zuständige Ausländerbehörde mit Bescheid vom 12.10.2007 ab. Der Kläger erhob dagegen Widerspruch und machte den ablehnenden Bescheid zum Gegenstand des Klageverfahrens. Am 10.12.2007 erteilte die Ausländerbehörde dem Kläger die Niederlassungserlaubnis. Nach der Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen wurde das Klageverfahren mit Beschluss vom 21.01.2008 eingestellt. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem seit dem 01.01.2008 zuständigen Beklagten auferlegt und die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.01.2008 setzte die Kostenbeamtin die vom Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten auf insgesamt 997,55 Euro fest. Die Einzelpositionen lauten:
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Vorverfahren |
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274,53 EUR |
Klageverfahren |
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1,3 Verfahrensgebühr |
391,30 EUR |
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Anrechnung Geschäftsgebühr |
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(1/2 von 210,70 EUR) |
- 105,35 EUR |
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Dokumentenpauschale |
6,50 EUR |
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292,45 EUR |
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19 % Umsatzsteuer |
55,57 EUR |
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348,02 EUR |
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Aktenversendungspauschale |
12,00 EUR |
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360,02 EUR |
360,02 EUR |
Gerichtskosten |
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363,00 EUR |
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997,55 EUR |
Gegen den ihm am 11.02.2008 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 15.02.2008 die Entscheidung des Gerichts beantragt, soweit die hälftige Geschäftsgebühr angerechnet wurde. Vorbemerkung 3 Absatz 4 VV RVG betreffe nur das Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten, nicht aber dessen Kostenerstattungsanspruch gegenüber einem Dritten. (OVG Münster, NJW 2006, 1991; VGH München NJW 2007; OLG München, AnwBl. 2007, 797)
Die Kostenbeamtin hat dem Antrag mit Beschluss vom 25.02.2008 unter Hinweis auf verschiedene, ihre Auffassung stützende Gerichtsentscheidungen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.12.2007 – 1 O 215/07 –; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28.01.2008 – 6 E 11203/07 –; VG Minden, Beschluss vom 06.09.2007 – 8 K 3544/06 –; VG Hannover, Beschluss vom 07.12.2007 – 6 A 1117/07 –; Bay. VGH, Beschluss vom 09.10.2007 – 3 C 07.1903 –; VG Freiburg, Beschluss vom 27.09.2007 – A 3 K 1834/07 –) nicht abgeholfen und dem Gericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II.
Über die Erinnerung nach den §§ 165 (≪Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung≫ „Die Beteiligten können die Festsetzung der zu erstattenden Kosten anfechten. § 151 gilt entsprechend.”), 151 (≪Erinnerung≫ „Gegen die Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden. Der Antrag ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts zu stellen. §§ 147 bis 149 gelten entsprechend.”) VwGO entscheidet das Gericht, das die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen hat, vorliegend folglich der Berichterstatter auf der Grundlage von § 87 a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 5 VwGO.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat die Kostenbeamtin die aufgrund des Beschlusses vom 21.01.2008 vom Beklagten an den Kläger zu zahlenden Kosten unter Anwendung von Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses (= Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG – VVRVG –; im Folgenden: VV Teil 3 Vorb. 3 Abs. 4) festgesetzt und damit die entstandene Geschäftsgebühr hälftig auf die Verfahrensgebühr angerechnet. Das Gericht schließt sich insoweit der überzeugenden Rechtsauffassung des OVG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 05.12.2007 – 1 O 215/07 –, bei juris) und der nachstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 28.01.2008 – 6 E 11203/07 –, bei juris) an:
Nach Satz 1 der vorbezeichneten Vorschrift wird in Fällen, in denen wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303 entsteht, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen ...