Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweckentfremdung von Wohnungen
Tenor
Die mit der Zweckentfremdungsgenehmigung der Beklagten vom 15.11.1994 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 11.5.1995 verbundene Befristung der Nutzung der streitigen Räume im Erdgeschoß des Hauses Gretchenstraße 28 zu Bürozwecken auf die Dauer von „zunächst” 3 Jahren und die Auflage zur Zahlung eines monatlichen Ausgleichsbetrages in Höhe von 1.190,00 DM werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
Die Kläger, Geschwister, sind Eigentümer des mit einem 10-Familien-Wohnhaus bebauten Grundstücks Gretchenstraße 28 im Gebiet der Beklagten. Zwei der Wohnungen werden von den Klägern und deren Familien bewohnt, eine weitere Wohnung bewohnt die Mutter der Kläger. Im Erdgeschoß befinden sich zwei insgesamt 240 qm große Drei-Zimmer-Wohnungen, die eine straßenseitig, nach Norden gelegen, die andere hofseitig, nach Süden gelegen. Die Gretchenstraße liegt zentral in der Oststadt von Hannover in einem reinen Wohngebiet und ist verkehrsberuhigt. Die Klägerin und ihr Ehemann betreiben eine Steuerberaterpraxis, die sie von Ronnenberg-Wetzen in das Erdgeschoß des Hauses Gretchenstraße 28 verlegt haben.
Mit Schreiben vom 21.5. und 17.7.1990 beantragten die Kläger bei der Beklagten, ihnen die Baugenehmigung und die Zweckentfremdungsgenehmigung zur Nutzungsänderung der beiden im Erdgeschoß liegenden Wohnungen für das Steuerberatungsbüro der Klägerin und ihres Ehemannes zu erteilen, wobei zwei Wohn- und zwei Nebenräume der straßenseitig gelegenen Wohnung abgetrennt und zu einer abgeschlossenen 70 qm großen Wohnung für die Schwiegermutter der Klägerin umgebaut werden sollten. Die gewerblich zu nutzende Fläche beträgt nach dem Antrag der Kläger 170 qm. Mit Bescheid vom 22.8.1990 versagte die Beklagte die beantragte Zweckentfremdungsgenehmigung. Den Widerspruch der Kläger wies die Bezirksregierung Hannover mit Widerspruchsbescheid vom 30.7.1991 zurück.
Daraufhin erhoben die Kläger am 29.8.1991 Klage, zu deren Begründung sie im wesentlichen ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der zweckfremden Nutzung der betreffenden Räume geltend machten und hierzu vortrugen: Ihre 77-jährige Mutter sei seit 1982 pflegebedürftig. Die Pflegebedürftigkeit habe sich verstärkt. Die Pflege werde von der Klägerin und ihrer Schwägerin wahrgenommen. Seit 1989 sei auch die Schwiegermutter der Klägerin gebrechlich und pflegebedürftig. Der Ehemann der Klägerin habe im November 1990 einen Unfall erlitten, bei dem er sich den Lendenwirbel gebrochen habe. Seither sei seine Bewegungsmöglichkeit sehr stark eingeschränkt. Er sei nicht mehr in der Lage, jeden Tag von Hannover nach Wetzen in sein Büro zu fahren und außerdem noch Mandanten zu besuchen. Falls die Steuerberaterpraxis nicht ständig nach Hannover verlegt werde, sei er auf längere Sicht gezwungen, seine Berufstätigkeit einzustellen. Zudem könne die Klägerin nicht zugleich ihren Beruf in Weetzen ausüben und die Betreuung ihrer Kinder, ihrer Mutter und ihrer Schwiegermutter übernehmen. Mit Urteil vom 14.10.1992 – 8 A 4226/91 – wies die Kammer die Klage ab.
Die Kläger legten gegen dieses ihren Prozeßbevollmächtigten am 11.11.1992 zugestellte Urteil am 19.11.1992 Berufung ein. In der mündlichen Verhandlung vor dem 1. Senat des Nds. OVG am 18.8.1994 schlossen die Beteiligten einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, unter Anerkennung der Pflegebedürftigkeit der Mutter beider Kläger und der Schwiegermutter der Klägerin zu 1) erneut über die Zweckentfremdung der Erdgeschoßwohnung im Hause Gretchenstraße 28 (mit Ausnahme der abgeteilten 70 qm-Wohnung) zu entscheiden.
Auf der Grundlage dieses Vergleichs erteilte die Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 15.11.1994 die Genehmigung für die Zweckentfremdung der im Bauantrag vom 21.5./17.7.1990 gekennzeichneten Wohnräume im Erdgeschoß des Hauses Gretchenstraße 28 für die Dauer von zunächst drei Jahren nach Eintritt der Wirksamkeit des Bescheides. Die erteilte Genehmigung wird auf die im Rahmen der Steuerberatertätigkeit durchgeführte Nutzung beschränkt. Bei einer Änderung der Nutzung, der Nutzungsart oder des Nutzers der Räumlichkeiten entfällt die Genehmigung. Nach den Auflagen und Bedingungen des Bescheides erlischt die Genehmigung spätestens bei Wegfall der Pflegebedürftigkeit und/oder Auszug der im Hause wohnenden Mutter der Kläger und Schwiegermutter der Klägerin zu 1). Die zeitliche Befristung kann bei fortbestehender häuslicher Pflegebedürftigkeit einer der beiden Damen verlängert werden. Die Pflegebedürftigkeit der beiden Damen ist zwei Monate vor Ablauf der Befristung durch fachärztliches Attest nachzuweisen. Eine amtsärztliche Überprüfung bleibt vorbeha...