rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge. Gegenvorstellung. Verfahrensgrundrechte. Greifbare Gesetzeswidrigkeit. Mobilfunkanlage – Antrag auf Zulassung der Berufung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anhörungsrüge des § 152 a VwGO ist grundsätzlich auf Verfahrensverstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG begrenzt. Eine analoge Anwendung kommt allenfalls für vergleichbare Verstöße gegen Verfahrensgrundrechte wie etwa Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Betracht.
2. Insbesondere im Hinblick auf das Institut der Rechtskraft und das Gebot der Rechtsmittelklarheit sind ab 1. Januar 2005 neben der – abschließenden – gesetzlichen Regelung des § 152 a VwGO sonstige außerordentliche Rechtsbehelfe, wie etwa materiellrechtlich begründete Gegenvorstellungen wegen behaupteter „greifbarer Gesetzeswidrigkeit”, bei unanfechtbaren verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen nicht statthaft und somit als unzulässig zu verwerfen.
Normenkette
VwGO § 152 a; GG Art. 103 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
VG Karlsruhe (Aktenzeichen 1 K 1614/03) |
Tenor
Die Anhörungsrüge gegen den Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2004 – 3 S 1407/04 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten dieses Verfahrens trägt der Antragsteller.
Gründe
Die als Anhörungsrüge gewertete Gegenvorstellung des Antragstellers vom 5. Januar 2005 gegen den ihm am 22. Dezember 2004 zugestellten Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2004 hat keinen Erfolg.
1. Zu Gunsten des Antragstellers geht der Senat aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG davon aus, dass dieser mit seiner „Gegenvorstellung” – die insbesondere unter Berufung auf die angeblich fehlerhafte Auslegung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO sinngemäß auf Fortführung des Verfahrens abzielt – eine Anhörungsrüge erhoben hat. Da sich diese gegen eine Entscheidung richtet, gegen die gemäß § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nicht gegeben ist, sie innerhalb der Zweiwochenfrist, schriftlich und durch einen Prozessbevollmächtigten gemäß §§ 152 a Abs. 2 Satz 5, 67 Abs. 1 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof erhoben wurde, ist sie nach § 152 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO statthaft und zulässig.
Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet und deshalb gemäß § 152 a Abs. 4 Sätze 2-4 VwGO durch unanfechtbaren Beschluss zurückzuweisen. Denn der Antragsteller hat auch nicht ansatzweise substanziiert dargelegt, dass der Senat seinen Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt haben könnte. Die stattdessen vorgenommene Berufung auf eine angeblich fehlerhafte Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO kann der Anhörungsrüge nicht zum Erfolg verhelfen (vgl. § 152 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
Mit dem gemäß Art.8 und Art. 22 Satz 2 des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz vom 9.12.2004; BGBl. I S. 3220 ≪3223 f./3230≫) am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen § 152 a VwGO hat der Gesetzgeber insbesondere in Umsetzung des Plenarbeschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (1 PBvU 1/02 = BVerfGE 107, 395 ff.) aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips eine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit – nur – für den Fall geschaffen, dass ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt hat. Abgesehen von vergleichbar klar überprüfbaren Verstößen gegen Verfahrensgrundrechte, wie etwa einem Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, in denen möglicherweise eine analoge Anwendung des § 152 a VwGO in Betracht gezogen werden könnte (vgl. bzgl. § 321 a ZPO: BGH, Beschluss vom 19.5.2004 – IXa ZB 182/03 –, FamRZ 2004 S. 1278 f.), scheidet eine erweiternde Anwendung des § 152 a VwGO für sonstige, insbesondere materiellrechtlich begründete Fälle behaupteter „greifbarer Gesetzeswidrigkeit” aus. Im Hinblick auf das Gebot der Rechtsmittelklarheit ist der Antragsteller insoweit auf die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8 a, 90 ff. BVerfGG zu verweisen, mit deren Hilfe gegebenenfalls etwa Verstöße gegen das sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Willkürgebot korrigiert werden können. Mit der bewussten gesetzgeberischen Entscheidung im Anhörungsrügengesetz, ab 1. Januar 2005 nur in Fällen der Verletzung rechtlichen Gehörs dem entscheidenden Gericht die Möglichkeit der Selbstkorrektur einzuräumen (vgl. BT-Drs. 15/3966 vom 20.10.2004), wäre es unvereinbar, § 152 a VwGO als einen über seinen klaren Regelungsgehalt wesentlich hinausgehenden allgemeinen Rechtsbehelf gegen rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zu begreifen. Insoweit fehlt es an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Eine dergestalt in das Institut der Rechtskraft eingreifende Korrektur der eindeutigen gesetzgeberischen Entscheidung überschritte zudem die Befugnisse eines Fachgerichtes (vgl. BGH, Beschluss vom 19.1.2004 – II ZR 108/02 –, NJW 2004 S. 1531 f.)...