Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufschiebende Wirkung. Schwerbehindertengesetz. Zustimmung zur Kündigung. Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
Leitsatz (amtlich)
1. Für einen Antrag, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels gegen eine Kündigungszustimung der Hauptfürsorgestelle anzuordnen bzw. ihr Bestehen festzustellen, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, sobald die Kündigung ausgesprochen ist. Ob das Rechtsmittel nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat oder ob diese gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 15 Abs. 3 SchwbG ganz oder teilweise entfällt, bleibt daher offen.
2. Das mit diesem Antrag verfolgte Ziel eines Schwerbehinderten, den Arbeitgeber zu seiner vorläufigen Weiterbeschäftigung zu veranlassen, kann auch über eine Anordnung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO nicht erreicht werden.
Normenkette
VwGO § 80 Abs. 5; SchwBG § 12 ff.
Verfahrensgang
VG Stuttgart (Beschluss vom 14.11.1983; Aktenzeichen 12 K 3468/83) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. November 1983 – 12 K 3468/83 – geändert. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladene trägt ihre eigenen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen selbst.
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte auf den gestellten Antrag hin keinen vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gewähren dürfen.
Das Begehren des Antragstellers ist zwar zu Recht auf § 80 Abs. 5 VwGO gestützt, weil die nach § 12 SchwbG ausgesprochene Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Kündigung eines Schwerbehinderten durch seinen Arbeitgeber einen (privatrechtsgestaltenden) Verwaltungsakt mit Drittwirkung darstellt, welcher den Arbeitgeber begünstigt und den Schwerbehinderten belastet. In solchen Fällen wird dem durch den Verwaltungsakt Belasteten nach nahezu einhelliger Auffassung vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt.
Diese Vorschrift bietet im vorliegenden Fall aber keine Möglichkeit, dem Antragsteller dazu zu verhelfen, was er eigentlich begehrt, nämlich seine vorläufige Weiterbeschäftigung bei der Beigeladenen für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die Kündigungszustimmung.
Mit dem in erster Linie gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Kündigungszustimmung anzuordnen und dem darin enthaltenen Antrag, das Bestehen der aufschiebenden Wirkung dieser Klage festzustellen, falls die Klage kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat, kann der Antragsteller nicht durchdringen, weil ihm dafür das Rechtsschutzinteresse fehlt. Das gilt sowohl für den eigentlichen „Aussetzungsantrag” als auch für den Feststellungsantrag. Die umstrittene Frage, ob eine Klage gegen eine von der Hauptfürsorgestelle nach §§ 12 ff. SchwbG erteilte Kündigungszustimmung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO zumindest hinsichtlich der Folgen einer innerhalb der Monatsfrist des § 15 Abs. 3 SchwbG ausgesprochenen Kündigung aufschiebende Wirkung hat oder ob auch diese nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 15 Abs. 3 SchwbG entfällt, kann daher hier offenbleiben (bejahend: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.09.1977 – VI 524/77 – [im Grundsatz]; BayVGH, Beschluß vom 27.06.1980, FEVS 81, 32; VG Saarlouis, Beschluß vom 24.10.1979, NJW 80, 721; verneinend vor allem: BAG, Urteil vom 17.02.1982, Betrieb 82, 1329 = NJW 82, 2630 = ZfSH 83, 22; Wilrodt-Neumann, SchwbG, 5. Aufl., § 12 Rdnr. 11; Jung-Cramer, Das neue Schwerbehindertengesetz, 1. Aufl., § 12 Rdnr. 11; Zanker, BB 76, 1181; jetzt auch Rewolle, SchwbG – Stand Juni 1983 – § 37 Anm. IV 1).
Eine Kündigungszustimmung nach §§ 12 ff. SchwbG hat zum Inhalt, daß die zugunsten des Schwerbehinderten bestehende gesetzliche Kündigungssperre für einen Monat (§ 15 Abs. 3 SchwbG) aufgehoben wird. Der antragstellende Arbeitgeber erhält somit eine zeitlich begrenzte Erlaubnis, die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer zu erklären. Die „Vollziehung” des Zustimmungsbescheids erfolgt daher durch den Ausspruch der Kündigung (BAG, Urteil vom 17.02.1982, a.a.O.). Das zeigt, daß die zeitliche Aufhebung der Kündigungssperre der alleinige Inhalt der Zustimmung nach §§ 12 ff. SchwbG ist. Die Zustimmung ermächtigt den Arbeitgeber zeitlich befristet zur Abgabe einer einmaligen, privatrechtsgestaltenden Willenserklärung, nämlich der Kündigung. Ansonsten greift die Kündigungszustimmung in das privatrechtliche Arbeitsverhältnis nicht ein. Alle Rechtsfolgen, die sich aus der Kündigung ergeben, also auch ein evtl. Anspruch des Schwerbehinderten auf Weiterbeschäftigung nach dem Ausspruch der Kündigung, werden demnach von der Zustimmung nicht geregelt. Diese Folgen richten sich vielmehr wie auch sonst nach arbeitsrechtlichen Vorschriften. Es verhält sich hier also anders als zum Beispiel bei einer öffentlich-rechtlichen Baugenehmigung, die nach ihrem Inhalt nicht nur zum einmaligen Bauen, sondern auch zur späteren dauern...