Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Zustimmung zur Kündigung. Bevollmächtigter. Kleinbetrieb. Sonderkündigungsschutz. Allgemeiner Kündigungsschutz. Vorverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Hauptfürsorgestelle (Integrationsamt) ist auch in Fällen des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG auf die Gewährung von Sonderkündigungsschutz beschränkt.

2. Die Versagung der beantragten Zustimmung zur Kündigung wegen der arbeitsrechtlichen Unzulässigkeit der beabsichtigten Kündigung kommt nur ausnahmsweise bei offensichtlichen Fallkonstellationen in Betracht. Die Beantwortung von Zweifelsfragen hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen und der rechtlichen Bewertung der beabsichtigten Kündigung obliegt allein den Arbeitsgerichten.

3. Es ist nicht Aufgabe des Berufungsverfahrens, erstmals den für die im Verwaltungsverfahren zu treffende Ermessensentscheidung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und die insoweit nötigen Beweise zu erheben.

4. Auch das Berufungsgericht ist für die Entscheidung über einen Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, zuständig.

5. Unterlässt die Hauptfürsorgestelle bzw. der Widerspruchsausschuss die gebotene Sachverhaltsermittlung und führt dies zur Verpflichtung zur Neubescheidung, kann dies bei der Kostenverteilung gemäß § 155 Abs. 4 VwGO berücksichtigt werden.

 

Normenkette

BGB § 26 Abs. 2; KSchG §§ 1, 23 Abs. 1 S. 1; SchwbG §§ 15, 18 Abs. 1; VwGO § 113 Abs. 5 S. 2, § 155 Abs. 4, § 162 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

VG Karlsruhe (Urteil vom 07.11.2000; Aktenzeichen 5 K 1726/99)

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 24.09.2002; Aktenzeichen 5 B 54.02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beigeladenen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. November 2000 – 5 K 1726/99 – geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 21.12.1998 sowie des Widerspruchsbescheids vom 10.05.1999 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Zustimmung zur Kündigung des Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Berufung des Beigeladenen zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Beklagte zu drei Vierteln sowie der Kläger und der Beigeladene zu jeweils einem Achtel. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren seitens des Klägers und des Beigeladenen wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

1. Der am xx.xx.1953 geborene Beigeladene ist ledig. Nach dem Bescheid des Versorgungsamtes Karlsruhe vom 03.11.1997 beträgt der Grad der Behinderung ab dem 15.10.1997 30 % wegen „Schwerhörigkeit beiderseits”. Aufgrund seines Antrags wurde er mit Bescheid des Arbeitsamtes Karlsruhe vom 05.01.1998 gemäß § 2 Abs. 1 SchwbG den Schwerbehinderten mit Wirkung vom 12.12.1997 gleich gestellt. Wegen dieses Leidens war er bereits mit Bescheid des KWEA Karlsruhe vom 20.12.1976 ausgemustert worden.

Der Beigeladene ist seit dem 01.04.1989 beim Kläger beschäftigt. Der Beigeladene war zunächst für Tätigkeiten der Vergütungsgruppe IV b BAT eingestellt worden. Am 06.02.1990 wurde er zum Leiter der Volkshochschule bestellt. Mit Wirkung vom 01.06.1992 wurde er in die Vergütungsgruppe II BAT eingereiht. Während des anhängigen Verfahrens hat der Beigeladene seine Eingruppierung nach BAT I b ab dem 01.03.1997 erstritten (Teilurteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 05.11.1998).

Am 23.07.1997 fasste die Mitgliederversammlung des Klägers den Beschluss, das Arbeitsverhältnis mit dem Beigeladenen zum nächstzulässigen Zeitpunkt zu beenden. Mit Schreiben vom 04.08.1997 kündigte der Kläger sodann dem Beigeladenen zum 31.12.1997. Die Kündigungsschutzklage des Beigeladenen wies das Arbeitsgericht Karlsruhe ab. Auf die Berufung des Beigeladenen änderte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 20.10.1998 die erstinstanzliche Entscheidung und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 04.08.1997 aufgelöst worden ist. In den Entscheidungsgründen heißt es u.a.: Eine verhaltensbedingte Kündigung scheitere daran, dass der Beigeladene vom Kläger nicht hinreichend abgemahnt worden sei; der Kläger habe auch keine derart gravierende Defizite aus dem Leistungs-, Verhaltens- oder Vertrauensbereich des Beigeladenen vorgetragen, die eine personenbedingte Kündigung rechtfertigten. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wurde vom Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 19.03.1999 als unzulässig verworfen, weil sie nicht in der vorgeschriebenen Form begründet worden war.

2. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 04.11.1998 beantragte der Kläger beim Beklagten vorsorglich die Zustimmung zur Kündigung des Beigeladenen.

Zur Begründung machte er geltend, dass das Verhältnis zwischen dem Beigeladenen und dem Vorstand des Klägers völlig zerrüttet sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung nahm er Bezug auf sein Vorbringen vor dem Landesarbeitsgericht. Der Beigeladene habe ständig gemaß...

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