Rechtskraft nein

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einbürgerungsanspruch von Kindern. Einbürgerungsantrag. mitsorgeberechtigter Elternteil. gesetzliche Vertretung. Ermächtigung. Assoziationsrecht. Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG. maßgeblicher Zeitpunkt. historische Auslegung. Einbürgerung nach § 40b StAG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der mitsorgeberechtigte Elternteil kann allein wirksam die Einbürgerung seines Kindes beantragen, wenn er hierzu von dem anderen Elternteil ermächtigt ist. Die Wirksamkeit des Antrags setzt nicht voraus, dass die Ermächtigung zum Zeitpunkt der Antragstellung oder bis zum Ablauf einer Antragsfrist belegt wird. Ein entsprechender Nachweis kann auch nachträglich erbracht werden.

2. Ein assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht des maßgeblichen Elternteils eines minderjährigen Kindes aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ist bei der Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG zu beachten. Die verspätete Beantragung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis ist demgemäß für das Merkmal des achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts im Inland nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AuslG unerheblich, wenn dem maßgeblichen Elternteil trotz dieser Verspätung ein solches Aufenthaltsrecht zustand.

3. Für den Einbürgerungsanspruch nach § 40b StAG reicht es aus, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG zum Zeitpunkt der nach § 40b Satz 2 StAG fristgerecht erfolgten Antragstellung vorgelegen haben; sie müssen nicht mehr zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Einbürgerung gegeben sein (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Senats vom 18.3.2002 – 13 S 442/02 –).

 

Normenkette

StAG § 4 Abs. 3 S. 1, § 40b; BGB § 1629 Abs. 1 S. 2, § 1687 Abs. 1; ARB 1/80 Art. 6 Abs. 1

 

Verfahrensgang

VG Stuttgart (Urteil vom 07.08.2002; Aktenzeichen 7 K 5084/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 7. August 2002 – 7 K 5084/01 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 29.6.1993 in Stuttgart geborene Kläger begehrt seine Einbürgerung nach § 40b des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG).

Die Mutter des Klägers ist polnische Staatsangehörige. Sie war zum Zeitpunkt der Geburt des Klägers mit dem polnischen Staatsangehörigen … verheiratet. Mit Beschluss vom 2.12.1993 – 26 F 1013/93 – ordnete das Amtsgericht Stuttgart – Familiengericht – an, dass die elterliche Sorge für den Kläger der Mutter übertragen wird. Mit Urteil vom 14.10.1996 – 6 C 4830/95 – stellte das Amtsgericht Stuttgart fest, dass der Kläger nicht das Kind des … ist. Bereits am 8.6.1994 hatte der Vater des Klägers, …, gegenüber dem Jugendamt der Beklagten seine Vaterschaft anerkannt. Am 16.9.1998 erklärten sowohl der Vater wie auch die Mutter des Klägers gegenüber dem Jugendamt der Beklagten, die elterliche Sorge für den Kläger gemeinsam mit dem anderen Elternteil zu übernehmen.

Die Mutter des Klägers, die sich mit wechselnden Namen jeweils über längere Zeiträume unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten hatte, wurde mit Verfügung der Beklagten vom 20.9.1999 aus dem Gebiet der Bundesrepublik ausgewiesen und mit Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 12.1.2001 – 28 Ds 110 Js 1504/01 – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten wegen zweier Vergehen der unerlaubten Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt im Bundesgebiet verurteilt. Sie wurde mehrmals, zuletzt am 17.9.2001, nach Polen abgeschoben.

Der Vater des Klägers, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 1967 zum Zweck der Arbeitsaufnahme in die Bundesrepublik ein und erhielt in der Folgezeit jeweils befristete Aufenthaltserlaubnisse. Am 20.12.1990 erteilte ihm die Beklagte eine Aufenthaltsberechtigung.

Am 23.3.1999 erteilte die Beklagte dem Kläger, der bei seinem Vater lebte, eine bis zum 29.6.2001 befristete Aufenthaltserlaubnis, die am 27.7.2001 bis zum 28.6.2009 verlängert wurde.

Am 23.11.2000 beantragte der Vater die Einbürgerung des Klägers nach § 40b StAG. In dem Antrag ist angegeben, dass der Wohnort der Mutter nicht bekannt sei. Es wurde ein Schreiben der Mutter vorgelegt, in dem diese dem Vater des Klägers „Vollmacht zur Prozessführung und Vertretung beim Amtsgericht sowie in außergerichtlichen Verhandlungen aller Art” erteilte. Mit Schreiben vom 5.7.2001 teilte der Vater des Klägers mit, dass er die erforderliche Zustimmung der Mutter des Klägers nicht vorlegen könne, da sich diese in der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd befinde. Er bitte darum, die Zustimmung der Mutter von Amts wegen einzuholen. Entsprechende Bemühungen der Beklagten blieben erfolglos; am 8.8.2001 teilte die Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd mit, dass sich die Mutter des Klägers dort nicht in Haft befinde.

Mit Schreiben vom 14.9.2001 gab die Beklagte dem Vater des Klägers Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Ablehnung des Einbürgerungsantrages zu äußern, und führte aus, der Antrag sei nicht wirksam, da bis zum 2.1.2001 keine Unterschrift der mitsorgebere...

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