Entscheidungsstichwort (Thema)

Jubiläumszuwendung. Jubiläumsdienstzeit Berechnung. unterhälftige Teilzeitbeschäftigung. Lohngleichheitsgebot. mittelbare Diskriminierung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Grundsatz gleichen Entgelts gebietet nicht, die unterhälftige Teilzeitbeschäftigung im öffentlichen Dienst auf die Jubiläumsdienstzeit anzurechnen.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 2; EGVtr Art. 119; JubV § 3 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

VG Stuttgart (Urteil vom 05.08.1993; Aktenzeichen 17 K 429/93)

 

Nachgehend

BVerwG (Urteil vom 26.10.1995; Aktenzeichen 2 C 18.94)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. August 1993 – 17 K 429/93 – geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die am 19.4.1934 geborene Klägerin stand ab dem 20.6.1966 als Arbeitnehmerin im Dienste der Beklagten. Sie trat als Reinemachekraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 9 Stunden ein. Ihre wöchentliche Arbeitszeit war dann vom 29.04.1968 bis 28.2.1969 auf 16 Stunden angehoben. Vom 1.3.1969 bis 31.10.1969 belief sie sich wieder auf 9 Stunden, wobei die Klägerin vom 14. bis 17.8.1969 ohne Bezüge beurlaubt war. Ab dem 01.11.1969 lag ihre wöchentliche Arbeitszeit mindestens bei der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit. Ab 8.4.1971 war sie vollbeschäftigt. Mit Wirkung vom 1.7.1974 wurde sie als Postschaffnerin in das Beamtenverhältnis berufen. Seit 1.7.1991 befindet sie sich als Posthauptschaffnerin a.D. im Ruhestand.

Die Oberpostdirektion Stuttgart schrieb unterm 15.8.1974 dem Beschäftigungspostamt der Klägerin, daß diese am 1.11.1994 eine Dienstzeit von 25 Jahren zurückgelegt haben werde. Dieser voraussichtliche Jubiläumstag möge im Personalbogen eingetragen und der Klägerin mitgeteilt werden. Aus einem Aktenvermerk kann geschlossen werden, daß der Leiter des Beschäftigungspostamtes damals der Klägerin eine entsprechende mündliche Mitteilung zukommen ließ.

Die Oberpostdirektion Stuttgart schrieb unterm 18.12.1991 dem Beschäftigungspostamt, daß die Berechnung der Jubiläumsdienstzeit geprüft und damals zutreffend festgelegt worden sei. Vor dem 1.11.1969 sei die Klägerin weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt gewesen. Diese Zeit sei nicht zu berücksichtigen. Das Beschäftigungspostamt unterrichtete hiervon die Klägerin.

Die Klägerin beantragte am 26.10.1992, ihr eine Jubiläumszuwendung von 600 DM zuzuerkennen oder darüber rechtsmittelfähig zu befinden. Auf diesen Antrag schrieb die Direktion Postdienst Stuttgart der Klägerin unterm 22.01.1993, die Jubiläumsdienstzeit sei am 15.8.1974 bestandskräftig auf 1.11.1994 festgesetzt worden. Diese Berechnung sei am 18.12.1991 nur bestätigt worden. Nach § 3 der Verordnung über die Gewährung von Jubiläumszuwendungen an Beamte und Richter des Bundes (Jubiläumsverordnung) könnten nur Zeiten einer hauptberuflichen, mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit umfassenden Tätigkeit anerkannt werden.

Die Klägerin hat in der ersten Hälfte des Februar 1993 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben. Sie hat die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung einer Jubiläumszuwendung in Höhe von 600 DM beantragt. Ein bestandskräftiger Verwaltungsakt liege nicht vor. § 3 der Jubiläumsverordnung sei rechtswidrig. Diese Vorschrift sei mittelbar diskriminierend und verstoße gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 und 2 Grundgesetz, gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 Beschäftigungsförderungsgesetz sowie gegen Art. 119 EG-Vertrag in Verbindung mit der EWG-Richtlinie 75/117 vom 10.2.1975 (Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen –Lohngleichheitsrichtlinie–).

Die Beklagte ist entgegengetreten. Die Klage sei unzulässig, da das Schreiben vom 15.8.1974 ein bestandskräftig gewordener Verwaltungsakt sei. Die Jubiläumsverordnung sei rechtmäßig. Die Berechnung stehe in Einklang mit der Verordnung.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 5.8.1993 (PersR 1993, 575) der Klage stattgegeben. Die Klage sei zulässig. Das Schreiben vom 15.8.1974 sei kein Verwaltungsakt, jedenfalls auch deshalb, weil es der Klägerin nach deren Angaben nicht mitgeteilt worden sei. Der Klage stehe somit auch nicht die Bestandskraft eines Verwaltungsakts entgegen. Die Klage sei begründet. Die Zeit vom 20.6.1966 bis 31.10.1969 sei (ausgenommen die Zeit der Beurlaubung ohne Bezüge vom 14. bis 17.8.1969) voll als Dienstzeit anzurechnen. Die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 JubV sei wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG insoweit rechtswidrig, als dort zur Anrechnung als Dienstzeit eine mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit umfassende Tätigkeit verlangt werde (Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, insbesondere Urteile vom 28.7.1992 – 3 AZR 35/92 – und vom 5.11.1992 – 6 AZR 550/91). Die Verordnung verstoße des weiteren insoweit auch gegen Art. 119 EG-Vertrag (Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, insbesondere Urteile vom 21.5.19...

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