Entscheidungsstichwort (Thema)
Disziplinarrecht. Personalvertretung. sonstiges Dienstrecht. Schriftliche Mißbilligung. Aufforderung zu pflichtgemäßem Verhalten
Leitsatz (amtlich)
Eine der antragsabhängigen Mitwirkung des Personalrats unterliegende schriftliche Mißbilligung im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 3 LPVG liegt vor, wenn ein Dienstvorgesetzter einem Beamten eine Dienstpflichtverletzung durch ein bestimmtes in der Vergangenheit liegendes Verhalten vorhält und ihm eine Mißkundgebung über dieses Fehlverhalten ausspricht (Weiterführung von VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 18.3.1986 – 4 S 1965/84 – DVBl. 1986, 897 = PersV 1987, 106).
Normenkette
LDO § 5 Abs. 1, 3; BDO § 6 Abs. 2; LPVG § 80 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
VG Sigmaringen (Urteil vom 25.09.1985; Aktenzeichen 3 K 1629/84) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgegerichts Sigmaringen vom 25. September 1985 – 3 K 1629/84 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß folgende Feststellung getroffen wird: Es wird festgestellt, daß das Schreiben des Oberschulamts Tübingen vom 28. Dezember 1983 rechtswidrig ist.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Vertreters des öffentlichen Interesses, die dieser selbst trägt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin bestand am 7.11.1978 die Erste Prüfung, am 2.7.1980 die Zweite Prüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Am 31.3.1982 ernannte sie der Beklagte unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Lehrerin zur Anstellung, am 4.3.1983 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Lehrerin. Mit Verfügung vom 28.3.1983 wurde auf Antrag der Klägerin deren Regelstundenmaß auf 18 Wochenstunden herabgesetzt. Mit Entscheidung vom 23.9.1983 beurlaubte das Oberschulamt Tübingen die Klägerin ab 10.10.1983 für ein Studium am Fachbereich Sonderpädagogik der Pädagogischen Hochschule Reutlingen für die Dauer des Studiums unter Wegfall der Dienstbezüge und bei Gewährung einer Unterhaltsbeihilfe in Höhe der Anwärterbezüge für das angestrebte Lehramt. Am 30.9.1985 bestand die Klägerin die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen und unterrichtete anschließend mit dem herabgesetzten Regelstundenmaß an einer Sonderschule in Fellbach. Die Herabsetzung des Regelstundenmaßes wurde befristet bis zum Tag vor Beginn des Unterrichts nach den Sommerferien 1986. Mit Urkunde vom 29.7.1986 wurde die Klägerin zur Sonderschullehrerin ernannt.
Am 20.10.1983 erschien in der „Südwestpresse-Schwäbische Donau-Zeitung” die folgende Anzeige:
LEHRERINNEN UND LEHRER AUS DER REGION ULM-NEU-ULM FÜR DEN FRIEDEN
Grundgesetz und Landesverfassung verpflichten uns, im Geiste der Völkerverständigung und des Friedens zu erziehen und die Fähigkeit sozialen Verhaltens zu fördern.
Die gewaltigen Rüstungsanstrengungen und die Politik, der atomaren Abschreckung schaffen eine Atmosphäre der Angst und Angrenzung (in der Anzeige wohl Druckfehler statt ‚Abgrenzung’), in der kein Vertrauen entstehen und somit der Frieden nicht andauernd gesichert werden kann.
Dies wirkt sich auch auf die Schulen aus und findet bereits in bildungspolitischen Maßnahmen seinen Niederschlag.
Verlierer dieser Politik sind wir alle. Schon zu. „Friedenszeiten” sind unsere sozialen, materiellen und moralischen Verluste unübersehbar. Fast jede fünfte Mark des Staatshaushalts fließt direkt in die Rüstung. Währenddessen fehlen für ein Beschäftigungsprogramm die notwendigen Mittel. Soziale Ausgaben werden drastisch beschnitten, soziale Aufgaben der Gemeinschaft dem einzelnen aufgebürdet. Bildung und Ausbildung können nicht mehr ausreichend finanziert werden.
Wir verpflichten uns daher, in Schule und Unterricht konkrete Beiträge zur Friedenserziehung zu leisten!
Wir rufen auf, sich mit uns an der Menschenkette und der Demonstration gegen die weitere Stationierung von Atomraketen in unserer Region am 22. Oktober zu beteiligen! Wir treffen uns in der Menschenkette zw. Bahnhof und Theater.
Es folgen zahlreiche Namen, darunter der der Klägerin.
Unter dem 28.12.1983 richtete das Oberschulamt Tübingen folgendes Schreiben an die Klägerin:
Unter Hinweis auf Ihre Tätigkeit als Lehrer haben Sie zusammen mit anderen Lehrern in der „Südwestpresse – Schwäbische Donauzeitung –” vom 20.10.1983 unter der Überschrift „Lehrerinnen und Lehrer aus der Region Ulm-Neu-Ulm für den Frieden” eine Anzeige veröffentlicht. In dieser Anzeige haben Sie zu politischen Themen einseitig Stellung genommen und sich verpflichtet, in Schule und Unterricht entsprechend konkrete Beiträge zur Friedenserziehung zu leisten.
Gemäß § 72 Landesbeamtengesetz (LBG) hat „der Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben”. Nach § 73 S. 3 LBG muß sich der Beamte innerhalb und außerhalb des Dienstes so verhalten, daß er der Achtung und dem Vetrauen gerecht wird, die sein Beruf...