Leitsatz
Auch ein rechtskräftiger Vollstreckungsbescheid über seine Honorarforderung garantiert dem Anwalt nicht die Durchsetzung eines sittenwidrig überhöhten Honorars, wenn der Vertragspartner bei der Gebührenvereinbarung krass überfordert wurde.
Sachverhalt
Ein Anwalt war 1999 von der Schuldnerin beauftragt worden, deren Ehemann in einem Verbraucherinsolvenzverfahren zu vertreten. Die Auftraggeberin hatte mit dem Anwalt dafür, ausgehend von einer Stundenzahl von 100, ein Pauschalhonorar von 7500 EUR zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart. Bei dem Honorar sollte es auch bleiben, wenn die Stundenzahl – egal aus welchen Gründen – nicht erreicht werden sollte. Zudem musste sich die Auftraggeberin verpflichten, dem Anwalt gegenüber keine Rechtsmittel gegen den Mahn- und Vollstreckungsbescheid einzulegen. Zahlungen zugunsten des Anwalts erfolgten nicht, weshalb der dann in 2009 aufgrund des in 2000 ergangenen Vollstreckungsbescheids die Zwangsvollstreckung einleitete.
Die Schuldnerin beantragte vor dem LG für die von ihr beabsichtigte Vollstreckungsabwehrklage Prozesskostenhilfe. Sie argumentierte, dass die Honorarvereinbarung sowie der Vertrag bezüglich des Verzichts auf Rechtsmittel gegen den Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid wegen krasser Überforderung unwirksam sei und der Vertrag auch seitens des Anwalts überwiegend nicht erfüllt sei. Das LG wies den Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe zurück, weil die Vollstreckungsabwehrklage keine Aussicht auf Erfolg biete, da die Antragstellerin mit ihren Einwendungen nach § 796 Abs. 2 ZPO wegen verspätetem Vorbringen ausgeschlossen sei. Mit der sofortigen Beschwerde nach§ 127 Abs. 2 ZPO vor dem OLG hatte die Antragstellerin insoweit Erfolg, als es die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwies.
Das OLG vertritt die Auffassung, dass die Antragstellerin einen Anspruch aus § 826 BGB auf Unterlassung der Vollstreckung haben kann, wenn der erwirkte Titel objektiv unrichtig ist. Der Titel könne trotz § 796 Abs. 2 ZPO unrichtig sein, wenn der zugrundeliegende Vertrag gem. § 138 BGB sittenwidrig ist. Die Sittenwidrigkeit könne sich hier daraus ergeben, dass
- die Antragstellerin wegen der emotionalen Verbundenheit zum Ehemann krass überfordert worden sei,
- lediglich 10 Stunden Arbeit vom Anwalt geleistet worden seien,
- und der Anwalt sich bei Überschreitung der 100 Stunden sogleich weitere 50 Stunden zu 75 EUR vertraglich gesichert habe,
- sich der Anwalt den Vollstreckungsbescheid sittenwidrig erschlichen habe, weil bei einer Klageerhebung ein Versäumnisurteil mangels Schlüssigkeit nie ergangen wäre,
- der Anwalt also die formale Rechtstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage ausgenutzt habe.
Das LG wird bei Bewilligung der Prozesskostenhilfe dann auch prüfen müssen, ob nach 9 Jahren ohne Geltendmachung des titulierten Anspruchs dieser ausnahmsweise verwirkt ist.
Selbst wenn das LG im Ergebnis zulasten der betroffenen Schuldnerin urteilen würde, wird der Anwalt sein Geld wohl nicht erhalten, da seine ehemalige Auftraggeberin dann ihrerseits das Verbraucherinsolvenzverfahren beantragen wird.
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 01.10.2009, 12 W 29/09.