Leitsatz
Die Klägerin hatte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist gegen das Urteil des AG beantragt. Ihrem Antrag wurde unter Hinweis auf die unzureichende Übermittlung des Antrages auf die Bewilligung der Prozesskostenhilfe innerhalb der Berufungsfrist nicht stattgegeben. Die eingetretene Fristversäumung durch den Eingang der erforderlichen Anlagen erst nach Ablauf der Berufungsfrist beruhe auf einem ihr zuzurechnenden Verschulden ihres Rechtsanwalts.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt die Versäumung der Berufungsfrist für nicht unverschuldet und gab daher dem Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin nicht statt.
Ob ein Verschulden der Partei oder ein ihr zuzurechnendes Anwaltsverschulden (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei der Versäumung einer Notfrist vorliege, sei anhand des allgemeinen Verschuldensbegriffs des § 276 BGB vorzunehmen. Hinsichtlich der Verantwortlichkeit anwaltlichen, über § 85 Abs. 2 ZPO der Partei zuzurechnenden Handelns, gelte deshalb die für einen Anwalt übliche Sorgfaltspflicht, die standesbedingt strenger sei als die gewöhnliche (so BGH seit NJW 1985, 1710). Der Rechtsanwalt habe, wenn er Tätigkeiten an sein Personal delegiere, durch allgemeine Anweisungen für den Bürobetrieb hinreichend sicherzustellen, dass Fristen eingehalten und fristwahrende Maßnahmen sorgfältig bearbeitet und überwacht würden.
Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax gehöre dazu neben der Anweisung, das Sendeprotokoll zu prüfen, bei der Übermittlung von mehrseitigen Unterlagen zunächst die visuelle Kontrolle des Stapeleinzugs sowie die Überprüfung der Zahl der übermittelten Seiten (BGH NJW 1996, 2513; OLG Frankfurt MDR 2000, 1344). Insbesondere der letztgenannte Vorgang sei in der in dem Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft gemachten Büroanweisung nicht enthalten. Auch die eidesstattliche Versicherung der Angestellten des Rechtsanwalts enthalte keinen Hinweis auf eine solche Anweisung und insbesondere keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Angestellte die Zahl der lt. Sendebericht übermittelten Seiten mit der Zahl der Seiten des Originalschriftsatzes nebst Anlagen überhaupt verglichen habe.
Bereits eine oberflächliche Sichtkontrolle hätte den Mengenunterschied zwischen 12 versandten Faxblättern und insgesamt 38 Seiten des Originals deutlich machen müssen. Erst recht wäre der Übermittlungsfehler nicht geschehen, wenn eine Büroanweisung dahin bestanden hätte, die Zahl der übermittelten Seiten lt. Sendebericht mit der Zahl der zu übermittelnden Seiten des Originals zu vergleichen.
Danach beruhe die unzureichende Übermittlung des Antrages auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe innerhalb der Berufungsfrist und die durch den Eingang der erforderlichen Anlagen erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingetretene Fristversäumung auf einem der Klägerin zuzurechnenden Verschulden ihres Rechtsanwalts. Ihrem Wiedereinsetzungsantrag sei daher nicht zu entsprechen.
Link zur Entscheidung
OLG Celle, Beschluss vom 19.06.2006, 17 UF 97/06