Leitsatz

Das FamG hatte durch Verbundurteil die Scheidung der Ehe ausgesprochen, der Ehefrau die elterliche Sorge für die gemeinsame Tochter übertragen und den Umgang des Antragsgegners mit der Tochter für ein Jahr ausgeschlossen. Das Urteil wurde am 24.05.2005 zugestellt.

Gegen die Sorgerechts- und Umgangsentscheidung legte der Antragsgegner mit einem am 24.06.2005 bei dem OLG eingegangenen Schriftsatz Beschwerde ein. Beschwerdeschrift und die beigefügte beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes seines Prozessbevollmächtigten waren nicht unterschrieben. Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts beantragte der Antragsgegner mit einem am 27.6.2005 bei dem Gericht eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und legte die Beschwerde, die er inzwischen mit am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz begründet hatte, erneut ein.

Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Beschwerde als unzulässig.

Gegen diese Entscheidung des OLG richtete sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, die im Ergebnis erfolgreich war.

 

Sachverhalt

siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Der BGH hielt die Rechtsbeschwerde für zulässig und begründet, weil dem Antragsgegner durch die Verwerfung seiner Beschwerde als unzulässig zu Unrecht die Rechtsmittelinstanz genommen worden sei, da das OLG als Beschwerdegericht die Anforderungen an ein Wiedereinsetzungsgesuch verkannt habe (BGH, Beschl. v. 9.2.2005 - XII ZB 225/04, BGHReport 2005, 874 = FamRZ 2005, 791 [792]).

Das Beschwerdegericht hatte in seiner verwerfenden Entscheidung die Auffassung vertreten, der Antragsgegner habe die eine Wiedereinsetzung rechtfertigenden Umstände nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Zwar habe sein Prozessbevollmächtigter anwaltlich versichert, dass für die bislang stets zuverlässigen Angestellten seiner Kanzlei die allgemeine Büroanweisung bestehe, sämtliche ausgehenden Schriftsätze vor der Kuvertierung und Absendung daraufhin zu überprüfen, ob sie mit der Unterschrift des Anwalts versehen sind. Den für die Fristversäumung ursächlichen Umstand, dass die Büroangestellte K. diese Weisung missachtet habe, könne er durch seine eigene anwaltliche Versicherung nicht glaubhaft machen, da er damit nur solche Tatsachen bekräftigen könne, die Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung gewesen seien. Aufgrund dessen hätte er nach Auffassung des OLG beispielsweise eine eidesstattliche Versicherung seiner Angestellten vorlegen müssen. Dies habe er nicht getan.

Der BGH vertrat die Auffassung, der Ansicht des OLG sei aus Rechtsgründen nicht zu folgen. Dem Antragsgegner sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert gewesen sei.

Grundsätzlich könne Wiedereinsetzung nur dann gewährt werden, wenn jedes ursächliche Verschulden der Partei oder ihres Anwalts ausgeräumt werde. Hier liege ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners insoweit vor, als er in seiner anwaltlichen Versicherung eingeräumt habe, die Beschwerdeschrift sei ihm zusammen mit anderen Schriftsätzen in einer Unterschriftenmappe vorgelegt worden, er habe aber vergessen, sie zu unterschreiben.

Ein solches Verschulden stehe einer Wiedereinsetzungen aber ausnahmsweise dann nicht entgegen, wenn im Rahmen der Büroorganisation durch eine allgemeine Arbeitsanweisung Vorsorge dafür getroffen wurde, dass bei normalem Verlauf der Dinge die Frist - trotz des Versehens des Rechtsanwalts - mit Sicherheit gewahrt worden wäre (BGH v. 12.12.1984 - IVb ZB 103/84, MDR 1985, 830 = NJW 1985, 1226).

Die Existenz einer solchen Anweisung habe der Antragsgegner durch die anwaltliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten hinreichend glaubhaft gemacht, dies werde auch von dem Beschwerdegericht nicht in Abrede gestellt. Einer Glaubhaftmachung der im Wiedereinsetzungsgesuch dargelegten und für die Fristversäumnis ursächlich gewordenen Umstände, bedürfe es entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht.

Wiedereinsetzung sei bereits dann zu gewähren, wenn hinreichend glaubhaft gemacht werde, dass die Fristversäumnis nicht auf einem Verschulden der Partei oder ihres Anwalts, sondern allenfalls auf einem Verschulden des Kanzleipersonals beruhe. Dabei sei es irrelevant, auf welche Weise und aus welchen Gründen das Kanzleipersonal gegen die allgemeine Büroanweisung verstoßen habe. Dieser Umstand bedürfe einer Glaubhaftmachung nicht, solange jedenfalls der geschilderte äußere Geschehensablauf nachvollzogen werden könne.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 15.02.2006, XII ZB 215/05

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