1 Leitsatz
Im Wirtschaftsplan sind die Kosten nach dem jeweils maßgeblichen Umlageschlüssel zu verteilen.
2 Normenkette
§ 28 Abs. 1 Satz 1 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K geht gegen den Beschluss über die Vorschüsse für das Jahr 2022 vor. Das AG gibt der Anfechtungsklage statt. Dagegen wendet sich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B.
4 Die Entscheidung
Die Berufung hat keinen Erfolg! Der Beschluss widerspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Denn die Verwaltung habe im Wirtschaftsplan für die Kosten der Wärme und des warmen Wassers falsche Umlageschlüssel eingesetzt. Nach der Gemeinschaftsordnung seien diese zu 50 % nach dem erfassten Verbrauch und zu 50 % nach der beheizten Fläche umzulegen. Der Einzelwirtschaftsplan für K für das Jahr 2022 sehe jedoch eine Verteilung nach der Wohnfläche vor. Zwar enthalte der Wirtschaftsplan lediglich die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben im kommenden Abrechnungsjahr. Deshalb sei bei seiner Aufstellung grundsätzlich eine auch großzügige Schätzung vor allem auf der Ausgabenseite zulässig, um so Nachforderungen zu vermeiden (Hinweis auf LG München I, Urteil v. 14.11.2011, 1 S 4681/11). K beanstande aber keine zu großzügige Schätzung auf der Ausgabenseite, sondern die Anwendung eines falschen Umlageschlüssels. Im Wirtschaftsplan seien die Kosten aber nach dem jeweils maßgeblichen Umlageschlüssel zu verteilen. Insoweit habe die B auch kein Ermessen.
K habe auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Zwar führe ein Fehler nicht zu einer Ungültigkeitserklärung, wenn die Höhe der Beitragspflicht nur geringfügig von der nach dem richtigen Umlageschlüssel zu leistenden Beitrag abweiche. Wie das AG zutreffend festgestellt habe, übertreffe der Vorschuss auf die Heiz- und Warmwasserkosten den sich unter Berücksichtigung des richtigen Verteilerschlüssels ergebenden Vorschuss um fast das Doppelte und stelle damit keine nur geringfügige Differenz dar. Auch wenn im Ergebnis von K monatlich lediglich eine um 50 EUR höhere Vorauszahlung zu leisten sei, sei dieser Betrag immerhin 1/7 der nach dem Einzelwirtschaftsplan für das Jahr 2022 monatlich von K zu zahlenden Vorschüsse.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es einerseits um die Frage, welcher Umlageschlüssel für die voraussichtlichen Kosten für Wärme und Warmwasser im Wirtschaftsplan einzusetzen ist. Andererseits geht es um die Frage, ob einer Anfechtungsklage gegen einen Beschluss nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn der Berechnungsfehler nur zu einer kleinen Veränderung führt.
Umlageschlüssel für die voraussichtlichen Kosten für Wärme und Warmwasser
Die Vorschüsse sind anhand der gesetzlichen, gewillkürten oder gerichtlich bestimmten Umlageschlüssel zu berechnen. Für die Heizkosten ist unter Anwendung des geltenden Umlageschlüssels das Nutzerverhalten des Vorjahres zu nehmen. Ist dieses unbekannt, ist subsidiär mit § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG zu rechnen. Bei Unklarheiten kann der Verwalter die Wohnungseigentümer um Weisung bitten. Das LG sieht dies nicht anders, auch wenn es nur klarstellt, dass der geltende Umlageschlüssel anzusetzen ist.
Rechtsschutzbedürfnis bei geringfügigen Fehlern
Das LG diskutiert die Frage, ob einem Wohnungseigentümer bei geringfügigen Fehlern für die Erhebung einer Anfechtungsklage ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Diese Frage stellen auch andere Gerichte. Dann muss man mit dem LG fragen, wann ein Fehler geringfügig ist. Was soll der Bezugspunkt sein? Der ganze Vorschuss oder die Kosten für eine bestimmte Position?
Ich selbst meine demgegenüber, fehlerhafte Beschlüsse könnten auch dann angegriffen werden, wenn sich der Fehler nur geringfügig auf den klagenden Wohnungseigentümer auswirkt. Weil eine Beschlussklage dem Interesse der Gemeinschaft aller Wohnungseigentümer an einer ordnungsmäßigen Verwaltung dient, kann es auf die Höhe eines Einzelinteresses nicht ankommen. Darüber hinaus würde ein Abstellen auf bestimmte, nicht näher quantifizierte Beträge zu nicht hinnehmbaren Verzerrungen führen. Die Klagebefugnis würde nämlich dann davon abhängen, in welchem Umfang ein Wohnungseigentümer fehlerhaft mit den Kosten belastet wurde.
6 Entscheidung
LG Berlin, Urteil v. 20.9.2022, 55 S 60/22 WEG