Die Regelung der Klausel Ziff. 3.4 BBSG 19 (Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe), wonach meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen die in den §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger sind, ist nach Ansicht des BGH (Urt. v. 18.1.2023 – IV ZR 465/21, Koch, EWiR 2023, 270) unklar i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB, da sie den durchschnittlichen Versicherungsnehmer jedenfalls auch zu dem Verständnis führen kann, dass der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls maßgeblich ist. Nach den Regelungen in Ziff. 3.1 und 3.4 BBSG 19 setzt der Eintritt des Versicherungsfalls die namentliche Nennung der Krankheit oder des Krankheitserregers in den §§ 6 und 7 IfSG im Zeitpunkt der Betriebsschließung voraus. Eine Erweiterung der Meldepflicht für in diesen Regelungen nicht namentlich genannte Krankheiten und Krankheitserreger durch eine auf der Grundlage von § 15 Abs. 1 IfSG erlassene Rechtsverordnung genügt nicht.
In einer früheren Entscheidung hatte der BGH (Urt. v. 26.1.2022 – IV ZR 144/21) in Bezug auf pandemiebedingte Betriebsschließungen noch festgestellt, dass im Hinblick auf die Frage, ob die Bezugnahme auf eine Rechtsnorm statisch oder dynamisch zu verstehen ist, die Fassung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich sei (die Police sah nach Ansicht des BGH einen abschließenden Katalog von Krankheiten bzw. Krankheitserregern vor). Im aktuell entschiedenen Fall sieht die Police keinen Katalog vor – dieser war nur Bestandteil eines Anhangs, auf den die Police nicht verwies.
In Rede steht der Versicherungsvertrag als Dauerschuldverhältnis, bei dem es – nach Vertragsschluss – zu einer Rechtsänderung gekommen ist. Welche Gesetzesfassung ist für die Auslegung der Verweisklausel auf eine Rechtsnorm in einem solchen Fall maßgeblich?
Dies sei – so der BGH jetzt – keine Frage der Inhaltskontrolle der Klausel, sondern (im Vorfeld einer solchen) der Auslegung, wofür § 305c Abs. 2 BGB maßgeblich ist. Wenn für eine Verweisklausel, da eine Auslegung nach dem Wortlaut nicht weiterhilft, sowohl eine statische (bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses) als auch eine dynamische Auslegung in Betracht kommt, ohne dass ein dabei gewonnenes Ergebnis eindeutig ist, erfolgt eine den Versicherungsnehmer begünstigende Auslegung durch einen Vergleich der Gesetzesfassungen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bzw. zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls.
Konkret fehlte im Zeitpunkt der ersten Betriebsschließung im IfSG eine namentliche Nennung von COVID 19, SARS-CoV bzw. SARS-CoV 2 mit der Folge, dass ein Entschädigungsanspruch ausschied (statischer Verweis), während der BGH für die zweite Betriebsschließung aufgrund der fehlenden Bezugnahme auf die in den §§ 6 und 7 IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserreger in den Versicherungsbedingungen keine Beschränkung des Leistungsversprechens auf den Rechtszustand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu erkennen vermochte (dynamischer Verweis) mit der Folge, dass ein Entschädigungsanspruch bestanden hat.