Das Gericht soll i.d.R. eine Güteverhandlung durchführen (§ 278 Abs. 2 S. 1 ZPO) und dazu das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen (§ 278 Abs. 3 ZPO). Durch eine gütliche Einigung können die Beteiligten zeit- und kostenaufwändige Beweisaufnahmen sowie die Risiken der rechtlichen Bewertung des Gerichts und eines etwaigen Berufungsverfahrens abwenden. Dabei können persönliche und wirtschaftliche Interessen der Parteien berücksichtigt werden, die über den Streitgegenstand hinausgehen (Mehrvergleich). Der Rechtsanwalt sollte darauf hinweisen, dass sich die Gerichtsgebühren von drei Gebühren auf eine Gebühr reduzieren (Nr. 1211 KV GKG) und durch den Vergleich eine zusätzliche Einigungsgebühr für den Rechtsanwalt (Nr. 1003 VV RVG) entsteht.
1. Güteverhandlung
In der Güteverhandlung sollen alle in Betracht kommenden Alternativen zur Streitbeilegung erörtert werden, also neben einem Vergleich auch gem. § 278a Abs. 1 ZPO die Durchführung eines außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens oder die Einholung eines Schiedsgutachtens (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 278 Rn. 7). Um dieses Ziel erreichen zu können, muss das Gericht bereits in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien erörtern und, soweit erforderlich, Fragen stellen (§ 278 Abs. 2 S. 2 ZPO).
Hinweis:
Keine Güteverhandlung ohne Erörterung: Die für die mündliche Verhandlung in § 139 Abs. 1 ZPO enthaltene Einschränkung, die Erörterung müsse nur "soweit erforderlich" erfolgen, ist für die Güteverhandlung in § 278 Abs. 2 S. 2 ZPO nur auf die Befragung der Parteien bezogen, nicht auf die Erörterungspflicht des Gerichts.
Das Gericht soll die Parteien in der Güteverhandlung persönlich anhören (§ 278 Abs. 2 S. 3 ZPO). Die Partei hat das Recht, sich durch ihren Prozessbevollmächtigten zu äußern. Gemäß § 278 Abs. 2 ZPO ist die Güteverhandlung kein Teil der mündlichen Verhandlung i.S.d. § 286 ZPO, sondern geht ihr voraus. Will sich eine Partei auf Inhalte der Güteverhandlung stützen, muss sie diese durch ausdrückliche oder konkludente Bezugnahme in die mündliche Verhandlung einführen.
2. Vergleich
Ein Vergleich will wohlüberlegt sein, insb. wenn auf Ansprüche verzichtet werden soll, die noch gar nicht erörtert wurden, z.B. bei Abfindungen in Verkehrsunfallangelegenheiten oder bei der Klausel: "Damit sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche erledigt." Solche Abfindungsklauseln befrieden das Verhältnis zwischen den Beteiligten und sichern einen endgültigen Abschluss der Streitigkeiten. Sie können jedoch zum Verlust von Ansprüchen führen, die zum Zeitpunkt des Vergleichs nicht vor Augen standen.
Praxishinweis:
Hat der Rechtsanwalt vor dieser Gefahr nicht gewarnt und auf ersichtliche mögliche Ansprüche nicht konkret hingewiesen, haftet er dem Mandanten für den Anspruchsverlust.
Statistisch stellen Abfindungsklauseln nach Fristversäumnissen das zweitgrößte Haftungsrisiko für Rechtsanwälte dar. Die Gerichtsverhandlung ist für die meisten Mandanten eine Stress- und Ausnahmesituation. Sie können die Aufklärung während einer fünfminütigen Sitzungspause im Gerichtsflur kaum aufnehmen und gedanklich verarbeiten.
Praxishinweis:
Im Zweifel sollte der Rechtsanwalt einen befristeten Widerrufsvorbehalt in den Vergleich aufnehmen lassen, um den Mandanten nach der Verhandlung schriftlich und umfassend über die Vor- und Nachteile des Vergleichs aufklären zu können und ihm Gelegenheit zu geben, sich die Entscheidung zu überlegen.
Der Richter hält das Ergebnis der Güteverhandlung im Protokoll fest (§ 160 Abs. 3 Nr. 10 ZPO). Der Vergleichstext eines in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleichs muss ins Protokoll aufgenommen und anschließend den Parteien vorgespielt oder vorgelesen werden. Die Parteien müssen sich sodann äußern, ob sie den protokollierten Vergleichstext genehmigen. Die Genehmigungserklärung oder etwaige Einwände sind ins Protokoll aufzunehmen (§§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 162 Abs. 1 ZPO).
Wird versäumt, den Vergleich vorzuspielen, zu genehmigen und dies im Protokoll zu vermerken, ist der Vergleich prozessual unwirksam, der Rechtsstreit also fortzusetzen (Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 160 Rn. 5). Der prozessual unwirksame Vergleich ist materiell-rechtlich regelmäßig ebenfalls unwirksam. Es kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Parteien den Vergleich in Kenntnis der prozessualen Unwirksamkeit ebenso abgeschlossen hätten. Mitentscheidend für einen gerichtlichen Vergleich ist die prozessbeendende Wirkung. Für den Kläger spielt zudem eine Rolle, dass er umgehend einen Vollstreckungstitel erhält. An beidem fehlt es, wenn der Vergleich prozessual unwirksam ist. In dieser Situation bleibt es den Parteien gleichwohl unbenommen, die Vergleichserklärungen schriftlich zu wiederholen und den Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO durch Beschluss feststellen zu lassen.
Das Nichterscheinen beider Parteien in der Güteverhandlung führt zu einem Ruhen des Verfahrens, das das Gericht anordnet und verhindert ein Übergehen zur mündlichen Verhandlung (§ 278 Abs. 4 ZPO).