Nach der Rechtsprechung des BAG können Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 S. 1 BGB (sog. quasinegatorischer Anspruch bei fortdauernder Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts) die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Ein Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte besteht für den Fall, dass die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

Einen Entfernungsanspruch kann der Arbeitnehmer des Weiteren geltend machen, wenn der Arbeitgeber bei einer (zu Recht erteilten) Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse mehr an deren Verbleib in der Personalakte des Arbeitnehmers vorweisen kann. Eine Abmahnung ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil der Arbeitgeber über den erhobenen Vorwurf auch hinwegsehen könnte, weil der Arbeitnehmer einen bewussten Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten nicht beabsichtigt hatte. Der Berechtigung einer Abmahnung des Arbeitgebers steht die Entschuldigung des Arbeitnehmers nicht entgegen (BAG, Urt. v. 20.1.2015 – 9 AZR 860/13 Rn 31, NZA 2015, 805; v. 19.7.2012 – 2 AZR 782/11 Rn 13, NZA 2013, 91; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 12.7.2018 – 5 Sa 77/18).

Für die Frage, ob eine Abmahnung zu Recht erfolgt ist, kommt es auf die subjektive Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Arbeitnehmers im Sinne eines Verschuldens nicht an. Entscheidend ist allein, ob der Vorwurf objektiv gerechtfertigt ist (BAG, Urt. v. 31.8.1994 – 7 AZR 893/93 Rn 31 m.w.N., NZA 1995, 225; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 12.7.2018 – 5 Sa 77/18 Rn 23; v. 29.8.2012 – 8 Sa 126/12 Rn 39).

Endet das Arbeitsverhältnis im Laufe des Berufungsverfahrens vor dem Landesarbeitsgericht, entfällt für einen Antrag auf Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis. Etwas anderes kann gelten, wenn – wie etwa im öffentlichen Dienst – die Personalakte an andere potenzielle Arbeitgeber weitergegeben werden kann (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 19.7.2016 – 1 Sa 37/16, RDV 2017, 41).

 

Praxishinweis:

Um die Belastbarkeit einer Abmahnung zu sichern, sollte der Arbeitgeber nie mehrere Verstöße in einer Abmahnung rügen, sondern stets Einzelabmahnungen aussprechen und dabei vorher sorgfältig die Verhältnismäßigkeit der Abmahnung und damit die ausreichende Schwere der Pflichtverletzung prüfen (Stichwort: abmahnungswürdiges und -fähiges Fehlverhalten).

Wird eine Abmahnung auf mehrere Vertragsverstöße gestützt, von denen einige zu Unrecht erhoben werden, oder ist sie aus formalen Gründen unwirksam, muss sie insgesamt aus der Personalakte entfernt werden. Dennoch behält sie ihre Wirkung als mündliche Abmahnung, soweit die Vorwürfe zutreffen. Zudem bleibt es dem Arbeitgeber überlassen, eine auf die zutreffenden Pflichtverletzungen beschränkte formal ordnungsgemäße Abmahnung auszusprechen und diese erneut zu der Personalakte zu nehmen (vgl. BAG, Urt. v. 19.2.2009 – 2 AZR 603/07, NZA 2009, 894; v. 13.3.1991 – 5 AZR 133/90, NZA 1991, 768; Küttner/Eisemann, a.a.O., Stichwort: Abmahnung, Rn 40). In der Praxis kann dies aber zu einer teuren Verzögerung der Trennung und im schlimmsten Fall zur Unwirksamkeit der Kündigung und damit einhergehend zum Verbrauch der Kündigungsgründe führen.

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