Nicht der gesamte Bereich eines Gemeindegebiets ist mit Bebauungsplänen überplant. Liegt das Grundstück außerhalb eines wirksamen Bebauungsplans und im sog. unbeplanten Innenbereich, so richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB. Der Grundgedanke, der dieser Norm zugrunde liegt, ist, dass die vorhandene bauliche Nutzung in der Umgebung des geplanten Vorhabens den zulässigen Rahmen absteckt (Anschlussfähigkeit des Vorhabens). Hiervon Abweichendes kann ein Bauherr nur durch die Schaffung eines (vorhabenbezogenen) Bebauungsplans erreichen.
1. Begrifflichkeiten
Begrifflich setzt ein „Innenbereich” nach § 34 Abs. 1 BauGB einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil voraus. Hierbei handelt es sich um zwei Tatbestandmerkmale: Bebauungszusammenhang und Ortsteil.
a) Bebauungszusammenhang
Ein Bebauungszusammenhang setzt eine Bebauung voraus, die aufgrund ihrer Geschlossenheit den Eindruck erzeugt, dass sie zusammen gehören. Unter den Begriff der Bebauung fällt dabei nicht jede beliebige bauliche Anlage. Gemeint sind vielmehr Bauwerke, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind. Dies trifft ausschließlich für Anlagen zu, die optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen. Hierzu zählen grds. nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Maßgeblich für den Zusammenhang ist, inwieweit eine aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche selbst diesem Zusammenhang angehört. Grundsätzlich endet er in aller Regel am letzten Baukörper – maßgeblich ist also nicht das Grundstück, auf dem sich der letzte Baukörper befindet, sondern die Außenwand grenzt den Innen- vom Außenbereich ab. Ausnahmsweise können örtliche Besonderheiten es aber rechtfertigen, dem Innenbereich noch bis zu einer natürlichen Grenze (z.B. Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen (zusammenfassend: BVerwG, Beschl. v. 2.3.2000 – 4 B 15.00, juris Rn 3 und 4).
Hinweis:
Eine unbebaute Fläche von zwei bis drei Bauplätzen kann als Baulücke angesehen werden und unterbricht den Bebauungszusammenhang nicht (BVerwG, Beschl. v. 30.8.2019 – 4 B 8.19, juris Rn 9).
b) Ortsteil
Ein Ortsteil i.S.v. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Für die Frage, ob ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil vorliegt, kommt es dabei auf die tatsächlich vorhandene Bebauung an (BVerwG, Beschl. v. 2.4.2007 – 4 B 7.07, juris Rn 4). Das Vorliegen eines Ortsteils bestimmt sich demnach nach einer quantitativen Betrachtung, wobei mind. sechs Bauten vorausgesetzt werden. Im Gegensatz zu einem Ortsteil zeichnet sich eine „Splittersiedlung” dadurch aus, dass es sich zwar ebenso um eine Ansammlung von Gebäuden handelt, die jedoch nicht organisch miteinander verbunden sind. Ob Gebäude organisch zusammenhängen und damit einen Ortsteil darstellen, hängt erneut von der Würdigung des Einzelfalls vor Ort ab. Maßgeblich können insoweit vorhandene Einrichtungen sein, die für die Gebäude eine übergeordnete Bedeutung aufweisen.
2. Faktischer Bebauungsplan
Wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der BauNVO bezeichnet sind, entspricht, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gem. § 34 Abs. 2 BauGB nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre. § 31 Abs. 1 und 2 BauGB finden entsprechend Anwendung. Für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich konstruiert § 34 Abs. 2 BauGB damit hinsichtlich der Art der Nutzung eine Prüfung, die der Prüfung eines tatsächlich überplanten Grundstücks entspricht. Insoweit wird auch vom „faktischen Baugebiet” gesprochen. Dabei gilt es die vorhandenen Nutzungsarten in der Umgebung dahingehend zu untersuchen, ob diese als Regel- oder Ausnahmebebauung in einem Baugebiet nach §§ 2 bis 11 BauNVO vorhanden sein könnten. Ist dies zu bejahen, richtet sich die Zulässigkeit des betreffenden Vorhabens nach dem aus der Umgebungsnutzung abgeleiteten Baugebiet. Lässt sich keine eindeutige Zuordnung vornehmen, so richtet sich die Zulässigkeit der Art der Nutzung – wie die Zulässigkeit im Übrigen ohnehin – nach § 34 Abs. 1 BauGB.
3. „Einfügen”
Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 34 Abs. 2 BauGB (kein „faktisches Baugebiet” – sog. Gemengelage) ist nach § 34 Abs. 1 BauGB ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Zentrales Tatbestandsmerkmal ist „einfügen”. Die nähere Umgebung entsp...