Zusammenfassung
Hinweis:
Im ersten Teil (ZAP 2022, 1175) der dreiteiligen „Basiswissenreihe” zum Baurecht wurde ein Überblick über das Baurecht mit seiner überdurchschnittlichen Komplexität im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegeben, indem die aus der gemeindlichen Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG) resultierende Bauleitplanung sowie das Baugenehmigungsverfahren im Fokus standen. Im folgenden zweiten Teil widmet sich der Beitrag den bauplanungsrechtlichen Anforderungen, denen bauliche Vorhaben im Allgemeinen wie im Konkreten genügen müssen, damit jedenfalls bezogen auf baurechtliche Vorschriften „keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen” (§ 72 der Musterbauordnung [MBO]) bzw. kein „Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften” (§§ 79, 80 MBO) besteht. Teil 3 (demnächst in ZAP 2023) erläutert abschließend das Bauordnungsrecht und den Drittschutz.
I. Überblick
Die meisten Grundstücke dürfen nicht bebaut werden, obwohl die „Baufreiheit” grundrechtlich betrachtet Teil der Eigentumsgarantie in Art. 14 GG ist. Grund hierfür ist das geltende Bauplanungsrecht, welches eine Bebaubarkeit eines Grundstücks an eine spezielle planungsrechtliche Lage knüpft. Zu unterscheiden sind insoweit Grundstücke, die in einem Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegen (§ 30 BauGB) bzw. in einem Plangebiet, für welches sich ein solcher Bebauungsplan in Aufstellung befindet (§ 33 BauGB). Mangelt es an einem Bebauungsplan bzw. ist ein solcher unwirksam und liegt das Grundstück in einem tatsächlich bebauten Gebiet, so richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB (unbeplanter Innenbereich). Grundstücke, die weder überplant sind noch in einem tatsächlich bebauten Gebiet liegen, befinden sich im Außenbereich und fallen damit in den Anwendungsbereich des § 35 BauGB.
II. Das bauliche Vorhaben
Gemäß § 29 Abs. 1 BauGB gelten die §§ 30 bis 37 BauGB für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, und für Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie für Ausschachtungen, Ablagerungen einschließlich Lagerstätten. Eine bauliche Anlage setzt begrifflich voraus, dass etwas mit bodenrechtlicher Relevanz gebaut wurde/wird. Das Merkmal des Bauens ist dabei erfüllt, wenn die Anlage in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden ist. Dieser bauplanungsrechtliche Begriff stimmt insoweit mit dem bauordnungsrechtlichen Begriff in § 2 MBO überein, wonach bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen sind, wobei eine Verbindung mit dem Boden auch dann besteht, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden. Bodenrechtliche Relevanz meint städtebauliche bzw. städteplanerische Relevanz, die dann gegeben ist, wenn das Vorhaben die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berührt, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen. Faktisch ist damit der bauordnungsrechtliche Anlagenbegriff zwar weiter als der bauplanungsrechtliche Begriff. Ein solches Auseinanderfallen ist jedoch in der Praxis eher die Ausnahme, da lediglich Kleinvorhaben oder fliegenden Bauten die bodenrechtliche Relevanz abgesprochen werden kann.
Beispiel:
Ob eine Werbeanlage geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen, ist auf der Grundlage einer das einzelne Objekt verallgemeinernden Betrachtungsweise zu beantworten. Die städtebauliche Relevanz kann sich auch auf das Ortsbild beziehen (BVerwG, Urt. v. 3.12.1992 – 4 C 27.91, juris).
III. Bebauung auf Grundlage eines Bebauungsplans (§ 30 BauGB)
Sobald das betreffende Grundstück im Geltungsbereich eines wirksamen Bebauungsplans liegt, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 30 BauGB. Dabei wird zwischen einem qualifizierten und einem einfachen Bebauungsplan unterschieden. § 33 BauGB betrifft die Situation, in der sich ein Bebauungsplan bereits in Aufstellung befindet.
1. Qualifizierter Bebauungsplan
Gemäß § 30 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält (= qualifizierter Bebauungsplan), zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
Die Erschließung ist gesichert, wenn das Grundstück an das öffentliche Straßennetz, die Versorgung mit Strom und Wasser sowie an die Abwasserbeseitigung angebunden ist. Zeitlich genügt es, wenn die Erschließungsanlagen bis zur Fertigstellung benutzbar sind, sodass diese zum Zeitpunkt der Bauantragstellung noch nicht vorhanden sein müssen.
Die Prüfung, ob das bauliche Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht, wirft zunächst die Frage auf, welche Festsetzungen der Bebauungs...