Durch Urt. v. 30.10.2019 – 6 AZR 465/18 – entschied das BAG über folgenden Sachverhalt:
Der Kläger war bei der beklagten katholischen Kirchengemeinde als Küster und Reinigungskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag nahm die kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) in Bezug. Diese sieht in § 57 eine sechsmonatige einstufige Ausschlussfrist vor. Der Kläger macht Differenzvergütungsansprüche wegen angeblich fehlerhafter Eingruppierung über rund 14.000 EUR geltend. Unter Berufung auf die Ausschlussfrist verweigert die Beklagte Erfüllung dieser Ansprüche. Der Kläger hielt die Regelung zur Ausschlussfrist für nicht anwendbar, jedenfalls liege ein Verstoß gegen das NachwG vor, der bei unterstelltem Verfall des Anspruchs zu einem Anspruch auf Schadenersatz führe. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die vom LAG zugelassene und vom Kläger eingelegte Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (s. etwa Urt. v. 15.11.2018 – 6 AZR 240/17, Rn 20) handelt es sich bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen wie der KAVO um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welchen mangels normativer Wirkung in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen nur über Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen Wirkung verschafft werden kann (zur Auslegung der Arbeitsvertragsrichtlinien, wenn sie als Ganzes übernommen werden, grundlegend: BAG, Urt. v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634; zusammenfassend jeweils die Anmerkungen Gundel, ZAT 2018, 187; ZAT 2018, 126; ZAT 2018, 123; ZAT 2018, 120). Die Grundsätze zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen finden auch auf die Bezugnahmeklauseln Anwendung (vgl. Gundel, ZAT 2018, 183, 187 Anm.). Auch nach einem Betriebsübergang auf einen weltlichen Erwerber gilt eine dynamische Verweisung fort.
Weil die Vorinstanzen entgegen § 139 Abs. 2 ZPO nicht die erforderlichen Hinweise gaben, war i.S.d. Aufhebung und Zurückverweisung zu entscheiden.
Zwar verstößt die Ausschlussregelung nicht gegen höherrangiges Recht. Bei der Kontrolle als Allgemeine Geschäftsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB ist als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit angemessen zu berücksichtigen (vgl. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB), dass das Verfahren zur Erstellung der KAVO mit paritätischer Besetzung der Arbeitsrechtlichen Kommission und Weisungsgebundenheit ihren Mitgliedern gewährleistet, dass die Arbeitgeberseite nicht einseitig ihre Interessen durchsetzen kann. Die so zustande gekommenen Arbeitsrechtsregelungen können somit grds. wie Tarifverträge nur darauf hin untersucht werden, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder gegen die guten Sitten verstoßen, BAG, Urt. v. 4.8.2016 – 6 AZR 129/15, Rn 26. Nach diesen Grundsätzen sind vollständig in Bezug genommene kirchliche Arbeitsrechtsregelungen auch nicht gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB auf Transparenz hin zu überprüfen. Auch sonstige Unwirksamkeitsgründe verneint das BAG.
Der Kläger könnte jedoch einen an die Stelle des vertraglichen Erfüllungsanspruchs getretenen Schadenersatzanspruch wegen unterlassener Unterrichtung über die Verfallsfrist haben. Arbeitgeber haben gem. § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und den Arbeitnehmern auszuhändigen. Eine Änderung der wesentlichen Vertragsbedingungen ist dem Arbeitnehmer gem. § 3 S. 1 des Gesetzes spätestens einen Monat nach der Änderung schriftlich mitzuteilen.
Verstößt ein Arbeitgeber gegen die Verpflichtungen aus §§ 2 und 3 NachwG, hat er gem. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB den durch den eingetretenen Verzug adäquat verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadenersatzanspruch ist auf Naturalrestitution gerichtet (§ 249 Abs. 1 BGB): Arbeitnehmer können vom Arbeitgeber verlangen, so gestellt zu werden, als wäre ihr Zahlungsanspruch nicht untergegangen, wenn ein solcher Anspruch nur wegen Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzesgemäßen Nachweis seitens der Arbeitgeber bestehen würde.
In die Niederschrift i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG ist nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 der Norm ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, aufzunehmen. Hinsichtlich in Tarifverträgen enthaltener Ausschlussfristen geht die Rechtsprechung davon aus, dass Arbeitgeber nur verpflichtet sind, die Arbeitnehmer auf den Tarifvertrag hinzuweisen, eines gesonderten Hinweises auf die Ausschlussfrist bedürfe es nicht (s. etwa BAG, Urt. v. 5.11.2003 – 5 AZR 469/02). § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 NachwG ist seinem unmissverständlichen Wortlaut nach auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nicht anwendbar. Diese sind, wie oben ausgeführt, Allgemeine Geschäftsbedingungen und damit weder Tarifverträge noch Betriebs- oder Dienstvereinbarungen. Ein allgemeiner Hinweis auf die Arbeitsrechtsregelung ist demnach vorliegend nicht ...