Sowohl das OLG Brandenburg als auch das OLG Oldenburg sind somit zu der Auffassung gelangt, dass den Verfahrensbevollmächtigten der jeweiligen Antragstellerseite die Terminsgebühr nach Absatz 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG angefallen ist. Beide Gerichte haben die Rechtsbeschwerde gegen ihre Entscheidung mit der Begründung nicht zugelassen, die Rechtsfrage sei durch den Beschluss des BGH (RVGreport 2012, 59 [Hansens]) bereits geklärt. Wie erörtert (s. oben 5. b) hatte der BGH jedoch die in beiden Fällen verfahrensgegenständliche Frage, wann im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bzw. einer einstweiligen Anordnung eine mündliche Verhandlung i.S.v. Absatz 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG vorgeschrieben ist, gerade nicht entschieden.
Hinweis:
Die Auffassung des OLG Brandenburg und OLG Oldenburg wird u.a. auch vom OLG Zweibrücken (RVGreport 2015, 20 [Hansens] = AGS 2015, 16) und vom OLG München (RVGreport 2010, 419 [ders.] = AGS 2010, 420 m. Anm. N. Schneider) für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vertreten. Die außerdem vom OLG Oldenburg herangezogene Entscheidung des OLG Stuttgart (AGS 2006, 24 m. Anm. Mock = JurBüro 2005, 587) ist allerdings kein geeigneter Beleg für die vom OLG vertretene Auffassung, weil es in jenem Verfahren um einen "normalen" Zivilprozess, nämlich um einen Urkundenprozess, ging, in dem ohnehin die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist.
In der Literatur folgen u.a. Schlünder (FamRZ 2009, 2056) und Onderka/N. Schneider (AnwK RVG, 8. Aufl., Nr. 3104 VV RVG Rn 22) der Auffassung des OLG Brandenburg und OLG Oldenburg. Nach Auffassung von Onderka/N. Schneider fällt allerdings bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Terminsgebühr gleichwohl nicht an, weil das Gericht hierzu nicht die Zustimmung der Beteiligten benötige. Darauf kam es aber im Fall des OLG Brandenburg nicht an: Das in Absatz 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG erforderliche Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten bezieht sich lediglich auf die "normale" Entscheidung ohne mündliche Verhandlung oder den schriftlichen Vergleichsschluss. Hier hatte jedoch das AG Potsdam auf Antrag der Antragstellerin dem Anerkenntnis des Antragsgegners folgend gem. § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG i.V.m. § 307 ZPO seinen Anerkenntnisbeschluss ohne mündliche Verhandlung erlassen. Die Entscheidung gem. § 307 ZPO erfordert ebenso wenig wie diejenige nach § 495a ZPO das Einverständnis der Parteien oder Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut, der im zweiten Halbsatz der Anmerkung alternativ unterscheidet zwischen der Entscheidung im Einverständnis der Parteien oder der Entscheidung gem. § 307 ZPO.
Demgegenüber haben andere Auffassungen in der Literatur insbesondere hinsichtlich des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine Gegenposition bezogen: Nach Auffassung von Gerold/Schmidt/Müller-Rabe (RVG, 22. Aufl., Nr. 3104 VV RVG Rn 43, 43a) ist die Regelung in § 246 Abs. 2 FamFG, die unter bestimmten Voraussetzungen eine mündliche Verhandlung vorschreibt, etwas anderes als eine obligatorische mündliche Verhandlung i.S.v. Absatz 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG.
Hinweis:
Diese Auffassung hat etwas für sich, weil in den Fällen des OLG Brandenburg und des OLG Oldenburg nach Erlass des Anerkenntnisbeschlusses wohl kein Verfahrensbeteiligter ernsthaft eine mündliche Verhandlung hätte erzwingen können.
Mit vergleichbaren Erwägungen wie Gerold/Schmidt/Müller-Rabe lehnt auch Volpert (RVGreport 2010, 170, 171) in solchen Fällen den Anfall einer Terminsgebühr ab. Derselben Auffassung sind auch das OLG München (RVGreport 2005, 427 [Hansens] = AGS 2005, 486 m. Anm. N. Schneider) und Riedel/Sußbauer/Ahlmann (RVG, 10. Aufl., Nr. 3104 VV RVG Rn 8) – teilweise auch für die vergleichbare Konstellation im zivilprozessualen Eilverfahren.