Mit einem weiteren Anwendungsbereich der Terminsgebühr hatte sich der BGH vor kurzem in einem Beschluss (RVGreport 2017, 140 [Hansens] = JurBüro 2017, 127) zu befassen. In jenem Fall hat der Kläger gegen den Beklagten vor dem LG Oldenburg eine Schadensersatzklage erhoben. Das LG hat die Zustellung der Klageschrift verfügt und den Beklagten unter Fristsetzung gem. § 276 Abs. 1 ZPO zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft aufgefordert. Obwohl der Kläger keinen Antrag auf Erlass des Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren gestellt hatte, gab das LG der Klage nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist durch Versäumnisurteil gem. § 331 Abs. 3 ZPO statt und erlegte dem Beklagten auch die Kosten des Rechtsstreits auf. Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden. Im Kostenfestsetzungsverfahren ging es um die Frage, ob dem Prozessbevollmächtigten des Klägers die zur Festsetzung angemeldete 0,5 Terminsgebühr nach Absatz 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3105 VV RVG angefallen war. Der Rechtspfleger des LG Oldenburg hat die Terminsgebühr antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen von dem Beklagten eingelegte sofortige Beschwerde hat das OLG Oldenburg zurückgewiesen. Mit seiner dagegen erhobenen Rechtsbeschwerde hatte der Beklagte beim BGH ebenfalls keinen Erfolg.
1. Gebührentatbestand
Nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Vorliegend hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers keinen solchen Termin wahrgenommen und auch keine Besprechung geführt. Somit konnte hier die geltend gemachte Terminsgebühr nur dann anfallen, wenn im VV RVG eine von der Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV RVG abweichende Regelung getroffen worden ist. In Betracht kam hier die Vorschrift von Abs. 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3105 VV RVG, wonach die dort geregelte 0,5 Terminsgebühr auch dann entsteht, wenn eine Entscheidung gem. § 331 Abs. 3 ZPO (Versäumnisurteil ohne mündliche Verhandlung) ergeht.
2. Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils erforderlich?
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die 0,5 Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3105 VV RVG auch dann anfällt, wenn der Kläger – wie es hier der Fall gewesen ist – den für den Erlass eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 ZPO erforderlichen Antrag nicht gestellt hat.
a) Antrag erforderlich
Nach Auffassung des OLG Oldenburg (RVGreport 2008, 263 [Hansens] = AGS 2008, 386 m. Anm. N. Schneider), des OLG Düsseldorf (JurBüro 1984, 1838 zu § 35 BRAGO) und von Schneider/Winkler (GK, 2. Aufl. 2017, Nr. 3105 VV RVG Rn 31) fällt die 0,5 Terminsgebühr nur dann an, wenn der Kläger den Erlass des ergangenen Versäumnisurteils – wie von § 331 Abs. 3 S. 1 ZPO verlangt – beantragt hat. Dies wird u.a. mit dem Wortlaut von Nr. 3105 VV RVG begründet, der – wenn auch nicht in Absatz 1 Nr. 2 der Anm. – ausdrücklich auf einen Antrag abstellt (so OLG Oldenburg a.a.O.). Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Erhebung einer schlüssigen Klage bereits durch die Verfahrensgebühr abgegolten wird, so dass für den Anwendungsbereich der 0,5 Terminsgebühr ausschließlich das Stellen des Antrags auf Erlass eines Versäumnisurteils bleibe (OLG Oldenburg a.a.O.).
b) Kein Antrag erforderlich
Nach der ganz überwiegenden Gegenauffassung fällt die 0,5 Terminsgebühr nach Absatz 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3105 VV RVG auch dann an, wenn das Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO ohne den erforderlichen Antrag ergeht (KG RVGreport 2008, 307 [Hansens] = AGS 2008, 541; OLG München RVGreport 2007, 425 [Hansens] = JurBüro 2007, 589; OLG Jena RVGreport 2006, 187 = AGS 2006, 227 m. Anm. Schons; Hansens RVGreport 2006, 321, 323; N. Schneider RVGreport 2013, 82; Mayer/Kroiß RVG, 6. Aufl., Nr. 3105 VV RVG Rn 17; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Nr. 3105 VV RVG Rn 33; Hartung/Schons, RVG, 3. Aufl., Nr. 3105 VV RVG Rn 22 f.; Onderka/N. Schneider, AnwK RVG, Nr. 3105 VV RVG Rn 38).
Dies wird weitgehend wie folgt begründet: Absatz 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3105 VV RVG verlange seinem Wortlaut nach lediglich eine Entscheidung nach § 331 Abs. 3 ZPO, nicht aber einen entsprechenden Antrag. Außerdem erfordere diese Gebühr nicht einen besonderen Aufwand des Rechtsanwalts, sondern sie schaffe einen Ausgleich dafür, dass dem Rechtsanwalt durch die Erledigung im schriftlichen Verfahren die bei Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung sonst zu erwartende Terminsgebühr für die Wahrnehmung eines Termins entgehe.
3. Auffassung des BGH
a) Gesetzeswortlaut
Der BGH hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen. Auch nach seiner Auffassung spricht bereits der Wortlaut der Gesetzesregelung für diese Auslegung. Der BGH weist jedoch darauf hin, dass der Wortlaut insoweit nicht zwingend sei, denn das Wort "gemäß" vor der Angabe des § 331 Abs. 3 ZPO könne – jedenfalls bei isolierter Betrachtung – auch als "in Übereinstimmung mit" verstanden werden. Dies hätte dann zur Folge, dass die Voraussetzungen des § 331 Abs. 3 ZPO und auch das darin geregelte Antragserfordernis von Absatz 1 Nr. 2 der Anm. zu Nr. 3105 VV RVG in Bezug genommen wäre.